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>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 1/2020
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50 Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)Sabrina Stranzl | “Your ignorance is more scandalous than my promiscuity” verwechselt wurden und mit denselben Konsequenzen zu rechnen hatten: mit Verhaftungen und Arrest. So ist es auch zu Regulierungen für die „tugendhaften“ Damen im öffentlichen Raum gekommen: „es war unerwünscht, ja unschicklich für eine Dame“, schreibt Elisabeth Wilson, dass sie sich alleine auf der Straße zeigt. Sie durfte sich nur in männlicher Begleitung, wie dem Vater, Bruder oder Ehemann oder einem männlichen Diener im öffentlichen Straßen- raum zeigen.36 Frauen sollten auf der Straße nicht gesehen werden und jeglichen Blickkontakt vermeiden. Der „aktive Blick“, wie Frauke Kreutler skizziert, „bedeutet Sehen, Macht und Wis- sen“ [und ist] den Männern vorbehalten. Für Frauen bestand hingegen lange ein Blickverbot: Den Blick zu senken galt als angemessen und schicklich, nur ‚schlechte‘ Frauen hatten einen aktiven Blick.“37 Dass Blicke, die womöglich sexuelles Interesse signalisieren, auch heute nicht wertfrei sind, werde ich später noch detaillierter ausführen. In den frühen Stadttexten des 19. Jahrhunderts galt die Straße als Brutstätte von Schmutz und Laster. Rolf Lindner schreibt: „‚Schmutz‘ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur Dreck, sondern ist immer auch eine moralische Kategorie, die auf Unanstößiges, vor allem sexuell Anstößiges verweist“.38 So klingt es nicht verwunderlich, dass die Sexarbeiterin „für die Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts“ [...] eines der schreckenerregendsten Phänomene städtischen Lebens“ war. Sexuelle Intimität war mehrheitlich mit dem Schandfleck „von Schuld und Ekel versehen“; und doch ist in der Literatur dieser Zeit die Sexarbeiterin eine zentrale Figur des modernen städtischen Lebens der Straße. Wilson schreibt, dass Literatur und Kunst noch weit ins 20. Jahrhundert hinein zeigen, dass die weibliche Sexualität panische Angst auslöste. „Die Großstadt [...] ist der Schauplatz einer widerwärtigen Orgie bestialischer käuflicher Liebe.“39 In der Zeit des Ersten Weltkrieges war die Sexarbeit aus der Stadt und von der Straße (fast) verbannt. Bordelle wurden zuerst erlaubt, mit Kriegsende wieder verboten, und auf ‚herum- streunende‘ Mädchen wurde ein besonderes Augenmerk gerichtet: „sie würden in die Gefahr der sexuellen Verwahrlosung geraten, wenn sie nicht zu Hause blieben“. Alleine auf dunklen Straßen unterwegs zu sein, hat sich für ‚anständige‘ Mädchen bis in die 1950er nicht geziemt.40 Während des Zweiten Weltkriegs wurden Bordelle wieder erlaubt; es sind jedoch auch Gesetze, wie „die Todesstrafe für ‚Sittlichkeitsverbrechen‘“, 1941 wieder eingeführt worden.41 Die wöchentliche gesundheitliche Zwangsuntersuchung mussten, während der nationalsozia- listischen Zeit, „alle Frauen ‚mit häufig wechselnden Geschlechtsverkehr‘“ über sich ergehen lassen. Frauen, die in der Sexarbeit tätig waren oder ein bloßer Verdacht vorlag, dass sie sexu- elle Dienstleistungen anbieten oder promiskuitiv leben, haben als „biologisch minderwertige Frauen“ gegolten und konnten in „Arbeitsanstalten“ oder/und in das Frauenkonzentrationslager 36 Vgl. E. Wilson: Begegnung mit der Sphinx, S. 41. 37 Frauke Kreutler: Begehrliche Blicke und geheime Codes. In: Andreas Brunner u.a. (Hg.): Sex in Wien. Lust. Kontrolle. Ungehorsam. Wien 2016, S. 22-30, hier S. 22. 38 Vgl. Rolf Lindner: Walks on the Wild Side. Eine Geschichte der Stadtforschung. Frankfurt am Main 2004, S. 19-20. 39 Vgl. E. Wilson: Begegnung mit der Sphinx, S. 60-103. 40 K. Dörfler: „Raum für die eigenen Füße?“ – Spurensuche, S. 151 41 Vgl. Ilse Reiter-Zatloukal: Strafrecht und Sexualität. Von der „Zucht“ durch Recht zur sexuellen Integrität und Selbstbestimmung. In: Andreas Brunner u.a. (Hg.): Sex in Wien. Lust. Kontrolle. Ungehorsam. Wien 2016, S. 148- 152, hier S. 150.
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
1/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
108
Kategorien
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