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54 Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1
(2020)Sabrina
Stranzl | âYour ignorance is more scandalous than my promiscuityâ
âGeht man davon aus, dass IdentitĂ€t ĂŒber die Eingliederung in RĂ€ume gewonnen wird,
dann ermöglicht die Abgrenzung auch eine sexualisierte NormalitĂ€tskonstruktion. Ăber
die Sichtbarkeit der âUnmoralâ, des Drecks und der Krankheit im anderen Viertel kann
diese als auĂerhalb der eigenen Lebenswelt verortet werden.â64
Durch eine solche Abgrenzung werden die immer wiederkehrenden Regulierungs- und
Verbotsversuche von Sexarbeit sichtbar. Die Folge davon, so Wolfmayr, ist âeine Politik des
Versteckensâ. Er verweist dabei auf Phil Hubbard, der schreibt: âthe state upholds the liberal
principle that adults have the right to consume sexual performances and materials, yet main-
tains its insistence that obscenity threatens public (urban) order if it becomes publicly or freely
availableâ65.
Diskriminierung, Stigmatisierung und WiderstÀndigkeit
In den GesprÀchen mit meinen Interview- und GesprÀchspartnerinnen stellte ich mir und
ihnen die Frage, wie mit solchen Ein- und AusschlieĂungsprozessen â staatlichen und loka-
len Regulierungen â und den Konsequenzen âder Politik des Versteckensâ umgegangen wird,
ob es Praktiken gibt, sich den öffentlichen StraĂenraum anzueignen, und wie diese aussehen
könnten.
Sexarbeiter_innen eignen sich den öffentlichen Raum an, obwohl er ihnen verwehrt wird
oder ihnen nur begrenzte RĂ€ume und Orte zur VerfĂŒgung stehen. Sie haben Aneignungs-
praxen, mit denen sie sich den nicht-sexarbeitenden Menschen anpassen und dadurch nicht
sichtbar sind. Dies zeigt zugleich, dass in solchen Ein- und Ausschlussprozessen ein gesell-
schaftliches KrÀfteverhÀltnis vorhanden ist, denn der Raum, in dem diese Prozesse stattfinden,
lÀsst sich mit Urs Urban als ein Dispositiv der Macht definieren, der das Subjekt produziert.66
In diesem KrÀfteverhÀltnis zeigt sich auch eine WiderstÀndigkeit von Sexarbeiterinnen, die sich
mit Foucault wie folgt argumentieren lÀsst:
âWenn es keinen Widerstand gĂ€be, gĂ€be es keine Machtbeziehungen. Weil alles einfach
eine Frage des Gehorchens wÀre. Von dem Augenblick an, da das Individuum in seiner
Situation nicht das tun kann, was es will, muĂ es Machtbeziehungen gebrauchen. Der
Widerstand kommt als Erstes, und er bleibt sĂ€mtlichen KrĂ€ften des Prozesses ĂŒberlegen; er
nötigt mit seiner Wirkung die MachtverhĂ€ltnisse dazu, sich zu verĂ€ndern.â67
Diese Strategien und Praktiken werde ich aus forschungsethischen GrĂŒnden nicht sichtbar
machen, da es die Akteur_innen nicht schĂŒtzt, sondern nur eine zusĂ€tzliche Ăberregulierung
mit sich bringen könnte. Vor allem, wenn es sich dabei um GesprÀchspartner_innen handelt,
die nicht registriert sind, wollen diese nicht-sichtbar bleiben, da ihre Entanonymisierung einer
Selbstanzeige gleichkĂ€me. Sexarbeitende Menschen, die ihre TĂ€tigkeit legal ausĂŒben, wollen
64 Martina Löw zit. n. G. Wolfmayr: Das Interesse am Verbotenen, S. 92.
65 Phil Hubbard u.a. zit. n. ebd., S. 93.
66 Vgl. Urs Urban: Der Raum des Anderen und Andere RĂ€ume. Zur Topologie des Werkes von Jean Genet. WĂŒrz-
burg 2007. S. 64.
67 Michel Foucault: Lesbischer Sadomasochismus als Praktik des Widerstandes. In: Barbara Eder, Felix Wemheuer
(Hg.): Die Linke und der Sex. Klassische Texte zum wichtigsten Thema. Wien 2011, S. 159-163, hier S. 160.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal