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(2020)Anna
Riegler | Die urbane Zeichenlandschaft
Der städtische Außenraum ist überfüllt mit visuellen Zeichen, die an eine Vielzahl von Emp-
fänger*innen adressiert sind. Verkehrsschilder, in Form von Geboten und Verboten sowie
Werbebotschaften dominieren die urbane Zeichenlandschaft. Das hegemoniale Kommunika-
tionsgefüge dient primär kommerziellen und reglementierenden Zwecken. Aber auch gesprayte
Schriftzüge, Sticker, Plakate und Kunstwerke sind Teil der urbanen Zeichenlandschaft und
schaffen somit eine alternative Kommunikationsform.
Diese Zeichen können mit einem stadtsemiotischen Zugang untersucht werden. Dabei
wird die Stadt als Text und die Straße als semiotischer Raum betrachtet. Dieser Betrachtungs-
weise liegt der Textbegriff von Roland Barthes zugrunde, der neben den sprachlichen Äußerun-
gen alle interpretierbaren Phänomene der Stadt umfasst.1 In dieser Arbeit werden alle visuellen
Äußerungen als Teil des Stadttextes betrachtet, wobei architektonische Zeichen außer Acht
gelassen werden. Der Fokus der Untersuchung liegt auf Praktiken und Strategien, die die Vor-
herrschaft der reglementierenden und kommerziellen Zeichen durchbrechen. Die unterschied-
lichen Formen der Einschreibungen in den Stadttext sowie die Intentionen und Erfahrungen
der Akteur*innen wurden empirisch durch Wahrnehmungsspaziergänge und qualitative Inter-
views erhoben. Im Zeitraum von Juli bis Oktober 2018 unternahm ich mehrere Wahrneh-
mungsspaziergänge in den Grazer Bezirken Geidorf, Lend, Gries und Andritz. Dabei doku-
mentierte ich fotografisch Sticker, Graffiti und Street-Art-Werke. In Interviews berichteten mir
unterschiedliche Akteur*innen von ihren Intentionen und Erfahrungen.
Die Auseinandersetzung mit dem Stadttext lässt nicht nur unterschiedliche Formen der
Aneignung von öffentlichem Raum sichtbar werden, sondern verdeutlicht auch Herrschafts-
und Machtbeziehungen im urbanen Raum. Der öffentliche Raum ist durch Reglementierun-
gen gekennzeichnet, die auch die Konstituierung des Stadttextes maßgeblich bestimmen.
Konstituierung von Stadttext
Der offizielle Stadttext wird vor allem von Ökonomie und (Stadt)Politik geschrieben. Die
Kunsthistorikerin Monja Müller beschreibt den städtischen Außenraum als einen Raum, in
dem visuelle Kommunikation fast ausschließlich politischen und kommerziellen Zwecken
dient. ,,Die Gestaltung des öffentlichen Stadtraums erfolgt primär nach Kriterien, die dem Ver-
kehr, der Massenkonsumkultur sowie der Repräsentanz politischer und ökonomischer Herr-
schaft untergeordnet sind“.2
Die Stadtpolitik verschreibt sich der Aufgabe, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, und
übersetzt diese Funktion in Zeichen, die im öffentlichen Raum platziert werden. Verkehrs- und
Hinweisschilder dienen der Orientierung und sollen für eine möglichst konfliktfreie Regelung
des Straßenverkehrs sorgen. Gebote und Verbote geben darüber hinaus erwünschte Hand-
lungs- und Verhaltensweisen vor.
Neben den Zeichen, die für Sicherheit und Ordnung sorgen sollen, werden zahlreiche Wer-
bebotschaften im städtischen Außenraum platziert. Angebote und Ankündigungen werden
1 Vgl. Eva Reblin. Die Straße, die Dinge und die Zeichen. Zur Semiotik des materiellen Stadtraums. Bielefeld
2012, S. 176f.
2 Monja Müller: Reclaim the Streets! Die Street-Art-Bewegung und die Rückforderung des öffentlichen Raumes.
Am Beispiel von Banksys Better out Than In und Shepards Faireys Obey Giant-Kampagne. Norderstedt 2017,
S. 445.
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Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal