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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Anna Riegler | Die urbane Zeichenlandschaft 61
über großformatige Werbeplakate, Litfaßsäulen, auf Bussen und Straßenbahnen oder über die
in letzter Zeit steigende Anzahl von Videowalls vermittelt. Dem Architekturtheoretiker Anselm
Wagner zufolge erfüllte der mit Werbung besetzte öffentliche Raum in Europa während des
Kalten Krieges auch eine politische Bedeutung. Die Überflutung des Stadtraums mit kommer-
zieller Außenwerbung galt bzw. gilt als sichtbarstes Zeichen für die Zugehörigkeit zur ,,west-
lich-kapitalistischen Hemisphäre“. Im Gegensatz dazu war der öffentliche Raum des Ostblocks
beinahe frei von Werbung und wurde höchstens für politische Propaganda benutzt.3 Auch in
der Gegenwart besitzt Werbung einen wichtigen Stellenwert im öffentlichen Raum. Bertram
Werle, der Stadtbaudirektor der Stadt Graz, deutet Außenwerbung als ,,Ausdruck wirtschaft-
licher Vitalität“ einer Stadt. Die Stadt als Wirtschaftsstandort ist von der gewerblichen Nutzung
abhängig. In diesem Sinne fungiert der öffentliche Raum als Außenauftritt der Wirtschafts-
treibenden.4
Werbung wird nicht nur als zentraler Indikator für die Wirtschaftstüchtigkeit einer Stadt
gesehen, sondern ist häufig auch ein wichtiges Geschäftsfeld. Viele Werbefirmen und ihre Pla-
katwände sind direkt oder über Beteiligungen im Besitz der Stadt. Mit über 3.000 Werbeflä-
chen ist das Unternehmen ,,Ankünder“, das mit 66,7% Anteilen im Besitz der Holding Graz ist,
der größte Anbieter im Bereich der Außenwerbung im Raum Graz5.
Formen des ,,Sich-Einschreibens“
Die unabhängige und individuelle Zeichenproduktion ist im Stadtraum nicht vorgesehen.
Dennoch schreiben sich Akteur*innen unautorisiert in den politisch und ökonomisch vorstruk-
turierten Stadttext ein und nutzen damit das kommunikative Potential der urbanen Außenflä-
chen. Die Intentionen und Motive hinter den unautorisierten Eingriffen sind vielfältig. Persön-
liche, politische, künstlerische sowie kommerzielle Interessen, die sich häufig auch überlagern,
stellen die Beweggründe dar. Unter Bezugnahme auf die dahinterstehenden Intentionen lassen
sich vier Formen des ,,Sich-Einschreibens“ identifizieren: Aktivistische Raumaneignung, sym-
bolische Raumaneignung, kommerzielle Raumaneignung und künstlerische Raumaneignung.
3 Vgl. Anselm Wagner: Las Vegas – falsch gelesen. In: Internationales Städteforum Graz (Hg.): Die umworbene
Stadt. Stadtgestalt und Werbung im Fokus von Denkmalpflege und Baukultur, Graz 2013, S. 13-19, hier S. 16.
4 Vgl. Bertram Werle: Werbung und Baukultur: Stadt im Spannungsfeld. In: Internationales Städteforum Graz
(Hg.): Die umworbene Stadt. Stadtgestalt und Werbung im Fokus von Denkmalpflege und Baukultur, Graz
2013, S. 27-33, hier S. 30f.
5 Vgl. Ankünder. Online abrufbar: http://www.ankuender.com/unternehmen.html [29.01.2019].
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal