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(2020)Anna
Riegler | Die urbane Zeichenlandschaft
soziale Positionierung der Akteur*innen in ihrer eingenommenen Position im physischen Raum
wider.23 Das Konzept des angeeigneten physischen Raumes beschreibt die räumliche Verteilung
von Gütern und Dienstleistungen sowie die räumliche Verteilung der Akteur*innen, die unter-
schiedliche Möglichkeiten haben, sich Raum anzueignen.24 Der angeeignete physische Raum
ist einerseits ,,Ergebnis von sozialen Praktiken im Raum“ und andererseits ,,Gegenstand von
Kämpfen und Aushandlungsprozessen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen
und Handlungsmöglichkeiten“.25
In Anlehnung daran betrachtet Etzold den öffentlichen Raum als angeeigneten physischen
Raum. Er formuliert fünf Ebenen, auf denen sich die Aneignung öffentlicher Räume vollzieht.
Die erste Ebene umfasst den physischen Raum, also (1) die Materialität des Raumes und die
Eigentumsverhältnisse. Die zweite bis fünfte Ebene betrifft den sozialen Raum. Die Möglich-
keit, sich öffentlichen Raum anzueignen, wird durch (2) die soziale Position der Akteur*innen,
(3) positions-spezifische räumliche Praktiken und (4) anerkannte Zugangs- und Nutzungsre-
geln bestimmt sowie (5) von der Zuschreibung einer bestimmten Bedeutung eines Ortes beein-
flusst.26
Die erste Ebene umfasst die materiellen Grundbedingungen und die damit zusammen-
hängenden rechtlich festgeschriebenen Besitzverhältnisse.27 Auf dieser rein materiellen Ebene
bedeutet Raumaneignung in Bezug auf den Stadttext die Möglichkeit, sich darin einzuschrei-
ben. So können Hausbesitzer*innen Verbotsschilder anbringen, Eigentümer*innen von Wer-
beflächen über deren Verwendung bestimmen oder die Stadt Kunstprojekte im öffentlichen
Raum genehmigen oder verbieten.
Die zweite Ebene von Etzolds analytischem Konzept widmet sich der sozialen Position der
Akteur*innen. Die Verfügbarkeit von ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital und
die damit zusammenhängende gesellschaftliche Position bestimmt die Möglichkeiten, öffent-
lichen Raum zu nutzen und zu gestalten.28 Erst die Verfügbarkeit von ökonomischem Kapital
ermöglicht die Nutzung von Werbeflächen. Auch soziales und kulturelles Kapital spielen bei
der Möglichkeit von Aneignung des öffentlichen Raumes eine wichtige Rolle. Jene Street-Art-
Aktivist*innen, die ein Studium im Bereich der Kunst oder des Grafikdesigns absolvieren,
verfügen über institutionalisiertes kulturelles Kapital sowie über soziales Kapital in Form von
Kontakten, die sie während des Studiums geknüpft haben. Dieses Kapital ist hilfreich, um am
institutionalisierten Kunstmarkt Fuß zu fassen.29 Dieses symbolische Kapital kann sich für
die Akquise von Auftragsarbeiten, Genehmigungen für legale Flächen oder die Einladung zu
Street-Art-Festivals als nützlich erweisen.
Die dritte Ebene fragt nach den räumlichen Praktiken, die nur im Zusammenhang mit
der sozialen Positionierung verstanden werden können. Verhaltensweisen und Muster der
23 Vgl. Pierre Bourdieu: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Martin Wentz (Hg.): Stadt-
Räume. Frankfurt am Main 1992, S. 25-34; Pierre Bourdieu: Ortseffekte. In: Ders. et al. (Hg.): Das Elend der
Welt. Gekürzte Studienausgabe, 2. Auflage. Konstanz 2010, S. 159-167.
24 Vgl. Pierre Bourdieu: Ortseffekte, S. 160.
25 Benjamin Etzold: Die umkämpfte Stadt, S. 193.
26 Vgl. ebd., S. 192ff.
27 Vgl. ebd., S. 194.
28 Vgl. ebd.
29 Vgl. Julia Reinecke: Street-Art, S. 178f.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal