Seite - 70 - in >mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 1/2020
Bild der Seite - 70 -
Text der Seite - 70 -
70 Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1
(2020)Anna
Riegler | Die urbane Zeichenlandschaft
Kontrolle öffentlicher Räume
Die Kontrolle und Überwachung des öffentlichen Raumes gehört zum ,,traditionellen Hoheits-
bereich des Staates, das heißt öffentliche Polizeien als Exekutive setzen Gesetze im de jure öffent-
lichen Raum durch und der Grad der realen Durchsetzung orientiert sich dabei regelmäßig an
aktuellen politischen Konstellationen und Prämissen“.35 Der öffentliche Raum (in der Moderne)
war schon immer durch Reglementierungen gekennzeichnet. Neben informellen Normen legen
staatliche Institutionen rechtlich fest, was öffentlicher Raum ist, und bestimmen gesetzlich, wer
den öffentlichen Raum wie nutzen darf. Die Kontrolle des öffentlichen Raumes wird durch das
Argument legitimiert, nicht-gemeinverträgliche Verhaltensweisen zu unterbinden.36
Die Nutzung von öffentlichen Räumen ist gesetzlich eingeschränkt. Gegen unerwünschte
Verhaltens- und Nutzungsformen wird juristisch und exekutiv vorgegangen. So wird auch
unautorisierten Eingriffen in den Stadttext der ,,Kampf“ angesagt. Jan Wehrheim bezeichnet
den Kampf gegen Graffiti (und Street Art) als Symbol für den ,,Kampf um städtisches Territo-
rium“. Dieser Kampf gegen Graffiti wird auf drei Ebenen geführt. Erstens geht es um Sachbe-
schädigung und Vandalismus sowie um den Schutz von Privateigentum.37 (Stadt)Politiken ent-
wickeln Strategien, um gegen diese Form von Vandalismus vorzugehen. Die zeit- und kosten-
aufwendige Entfernung von Graffiti rechtfertigt es, diese Einschreibungen in den Stadttext als
Sachbeschädigung zu ahnden. Unter Sachbeschädigung wird laut § 126 des Strafgesetzbuches
die Zerstörung, Beschädigung, Verunstaltung und Unbrauchbarmachung einer fremden Sache
verstanden. Sie wird mit Geldstrafen sowie auch mit Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten
belegt.38 Um Sachbeschädigung durch Graffiti vorzubeugen sowie gezielt strafrechtlich verfol-
gen zu können, werden in vielen Städten eigene Sonderkommissionen der Polizei eingerichtet.
Auch in Graz gibt es seit 2017 eine Graffiti-Soko, die aus zehn Ermittler*innen besteht39.
Die zweite Argumentationslinie um den Kampf gegen Graffiti basiert auf der Frage von
Kunst und Ästhetik. Je nach subjektiver Einschätzung werden Graffitis und Street-Art-Werke
als Kunst oder Schmiererei eingestuft.40 Wie man am Beispiel des prominenten britischen
Street-Art Künstlers Banksy sieht, können Werke, die als Kunst eingestuft werden (auch wenn
sie illegal entstehen), durchaus auch zur Aufwertung eines Stadtviertels und somit zum Kapi-
tal einer Stadt beitragen. Monja Müller argumentiert, dass sich in den letzten Jahren immer
mehr (Groß)Städte ,,mit dem speziellen Flair dieser illegalen Kunstform“ schmücken. Street
Art wird zur Attraktivitätssteigerung des urbanen Außenraumes instrumentalisiert, sowohl für
die Bewohner*innen, vor allem aber für Investor*innen und Tourist*innen.41
Drittens spielt das subjektive Sicherheitsgefühl in der Diskussion eine große Rolle. Die
Argumentation lautet, dass die Präsenz von Graffiti die Sauberkeit und Ästhetik einer Stadt,
35 Jan Wehrheim: Die überwachte Stadt. Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung. 3. Auflage, Opladen/Berlin/
Toronto 2012, S. 57.
36 Vgl. ebd., S. 58f.
37 Vgl. ebd. S. 121f.
38 Vgl. § 126 Strafgesetzbuch, BGB1. Nr 60/1974 idF Nr. 70/2018. Online abrufbar:
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002296 [Zugriff
26.11.2019].
39 Vgl. https://steiermark.orf.at/news/stories/2955531/ am 26.12.2018 [Zugriff 02.12.2018].
40 Vgl. Jan Wehrheim: Die überwachte Stadt, S. 122.
41 Vgl. Monja Müller: Reclaim the Streets, S. 191.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal