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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Hannah Konrad | Critical Mass 83
Critical Mass formuliert werden kann. David Graeber beschäftigt sich mit Formen der direk-
ten Aktion, zu welchen auch die Critical Mass gezählt wird. Unter solch einer direkten Aktion
versteht er „eine Form des politischen Handelns, die darauf ausgerichtet ist, etwas, worin man
einen ungerechten oder illegitimen Autoritätsakt sieht, auf eine Art konfrontativ anzugehen,
die selbst eine echte Alternative zu dem autoritären Gebaren darstellt.“39 Obwohl die Critical
Mass demnach als politische Handlung verstanden werden kann, ist es ebenso möglich, an ihr
teilzunehmen, ohne auch nur eine vage Idee von der politischen Botschaft zu erlangen. So weist
die Critical Mass Bückeburg zum Beispiel auf ihrer Website darauf hin: „Die CM ist keine
Demonstration und will auch nicht als solche gesehen werden. Trillerpfeifen und Transparente
sind daher nicht erwünscht.“40 Jedenfalls gehe es laut Graeber bei direkten Aktionen oft darum
auszuloten, was passiert, wenn eine bestimmte Logik so weit getrieben wird, wie es nur geht.
Besonders das Insistieren auf dem kollektiven Vergnügen und die utopische Vorstellung eines
anderen Straßenraumes wird bei der Critical Mass bis ans Limit getrieben, was laut Graeber
typisch für neue Protestformen sei.41 Es kann nicht als vorrangiges Ziel der Critical Mass ver-
standen werden, konkrete Forderungen durchzusetzen und für deren Umsetzung einmal im
Monat auf der Straße zu demonstrieren. Vielmehr geht es darum, temporär Kontrolle über die
gegebenen Umstände zu erlangen und die Idee eines Straßenraumes, der nicht vom motorisier-
ten Individualverkehr, sondern von Fahrrädern dominiert wird, für kurze Zeit Realität werden
zu lassen. Um es mit Adam Kessels Worten auszudrücken: „Critical Mass’s radical nature lies
in its process. It is a means of moving, not a particular destination.“42
39 David Graeber: Direkte Aktion. Hamburg 2013, S. 175.
40 Critical Mass Bückeburg: Verhaltensregeln. Online: http://www.criticalmass-bueckeburg.de/index.html?http://
www.criticalmass-bueckeburg.de/Dateien/Verhaltensregeln.html (Zugriff 25.02.19).
41 Vgl. David Graeber: Direkte Aktion. Hamburg 2013, S. 176.
42 Adam Kessel: Why they’re wrong about Critical Mass! The Fallacy of Bicycle Advocates’ Critique. In: Chris
Carlsson, Bicycling’s Defiant Celebration. Oakland, California 2002, S. 105-112, hier S. 109.
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Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal