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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Christine Fürst | Die Wiener „Mahü“ rund um die Uhr 87
Die Straße könne durchquert werden und rufe in der Praxis des Gehens, des Nachdenkens und
Betrachtens eine Aufmerksamkeit für ihre Zeichen hervor.4 „Auf diese Weise“, so sagt sie weiter,
entstehen immer wieder sowohl „flüchtige als auch länger andauernde Beziehungsgeflechte:
Bindungen der Stadtbewohner mit Orten, Erinnerungen an Ereignisse und Verknüpfungen
zwischen Orten, die für die Menschen Stadt bedeuten und diese ausmachen.“5
Die Geschichte der Mariahilferstraße
Die Innere Mariahilferstraße in Wien entspricht dem oben beschriebenen Bewegungs- und
Begegnungsort/-raum. 1826, nach ihrer ersten Pflasterung, diente sie dem österreichischen Kai-
serhof als Weg nach Schloss Schönbrunn. Mit dem im Jahr 1848 einsetzenden Bauboom wur-
den die niedrigen Vorstadthäuser durch mehrstöckige Gebäude ersetzt und schließlich prägten
Handelsbetriebe und später Kaufhäuser das Bild der Straße. Die Eröffnung des Wiener West-
bahnhofs 1859 erhöhte zusätzlich ihre Bedeutung als wichtige Verbindungsstraße.6 Als erstes
öffentliches Verkehrsmittel fuhr hier der „Zeiserlwagen“ gegen geringes Entgelt: ein Pferde-
fuhrwerk für acht bis zwölf Fahrgäste, jedoch
noch ohne festen Fahrplan. Später verkehr-
ten auf der Mariahilfer Straße Tramway und
Omnibusse. Die zunehmende Kollision von
Zuliefer- und Kundenverkehr führte bereits
1911 zum ersten Grundsatzbeschluss der
Gemeinde Wien, eine Untergrundbahn zu
bauen. Bis zur Errichtung sollte es allerdings
noch mehr als achtzig Jahre dauern. Die
Mariahilferstraße galt schon seit der k.u.k.
Monarchie als eine der bedeutendsten Ein-
kaufsstraßen Österreichs und ist es bis heute
geblieben. Ausschlaggebend für den Ruf der
Geschäftsstraße waren die drei Kaufhäu-
ser Herzmansky, Gerngross und Stafa. Mit der Eröffnung des ersten Einkaufszentrums, dem
Generali Center, im Jahr 1968, schrieb die Mariahilfer Straße Wiener Einzelhandelsgeschichte.7
Die gründerzeitlich geprägte Einkaufsstraße führte zu dieser Zeit durch dicht bebaute
Quartiere mit einem starken Mangel an öffentlichen Räumen. Geht man von der Chicagoer
Schule der Soziologie aus, so sind die entscheidenden qualitativen Merkmale der Urbanität
Größe, Dichte und Heterogenität der Bevölkerung. Durch gesellschaftliche Veränderungen
und unterschiedliche kulturelle Kontexte entstehen neue kulturelle Formen von Urbanität unter
dem Eindruck mentaler Bilder, Bewertungen und Verhalten in Form von Materialität, Gestalt
und Bewegung.8 Wohnen, Arbeiten, Erholung und Verkehr zählen zu den Grundfunktionen
4 Vgl. B. Szepanski, ebd., S. 11.
5 Ebd.
6 Vgl. Mahü Magazin: www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008433.pdf (Zugriff 29.11.2018).
7 Vgl. Mariahilfer Straße heute: www.wien.orf.at/news/stories/2597815/ (Zugriff 04.12.2018).
8 Vgl. Thomas Hengartner, Waltraud Kokot, Kathrin Wildner: Das Forschungsfeld Stadt in der Ethnologie und
Volkskunde. In: Dies. (Hg.), Kulturwissenschaftliche Stadtforschung. Eine Bestandsaufnahme. Kulturanalysen
Band 3. Berlin 2000, S. 8-9. Abb. 2: „Zeiserlwagen“
Quelle: MAHÜ: www.wien.gv.at/stadtentwick-
lung/studien/pdf (Zugriff 05.12.2018).
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Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal