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>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 1/2020
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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020) Christine Fürst | Die Wiener „Mahü“ rund um die Uhr 91 Der Blick durch das Kaleidoskop Die Betrachtung der sich im Zeitablauf eines Tages verändernden unterschiedlichen Atmosphären offenbart das gleichzeitige Zusammentreffen unterschiedlicher soziokultureller Akteurinnen und Akteure in und auf der Mahü. Der Blick durch das Tageslauf-Kaleidoskop auf die wechselnden Räume zeigt zuerst das Bild einer Morgenstimmung, bei der die Straße als Ort des Wohnens und Arbeitens in Erscheinung tritt. Langsam erwachen die Menschen auf der „Mahü“ und begeben sich in ihren Tagesrhythmus. Die Straße erwacht zum Leben. Nur wenige Menschen bewegen sich durch die Straße, teils um zur Arbeit zu gelangen, teils um schnell in einem Lebensmittelgeschäft einzukaufen. Im Vorbeigehen trinken sie hastig ihren Kaffee oder nehmen ihn im Pappbecher mit auf den Weg zur Arbeit. Es sind Bewohnerinnen und Bewohner dieser Straße im morgendlichen Fluss, der nur durch das klappernde Geräusch der Trolleys auf dem Pflaster unterbrochen wird, mit denen Reisende zu ihrem nächsten Ziel eilen. Die Rollerfahrerin Lea sagt, dass sie diese Morgen- stunden für die tägliche Durchquerung der Inneren Mariahilferstraße bevorzuge, denn ab zehn Uhr brauche es viel Geduld, da sie oft von den Radfahrern – diese dürfen hier auch die Fußgängerzone befahren – nicht gesehen werde, sie müsse Slalom fahren und alles werde außerdem sehr hektisch.27 Am frühen Vormittag wird die Straße zum Ort von Hilfesuchenden, von Obdachlosen, die morgens ihre Notschlafstelle bei der Caritas – die sogenannte „Gruft“ – verlassen müssen, und sich danach in der angrenzenden Mariahilfer Straße niederlassen. Die Umgestaltung macht es möglich, sich an den in beiden Zonen neu geschaffenen Sitzgelegenheiten die Zeit zu vertreiben. Vielleicht gelingt es, ein paar Cent für einen heißen Kaffee zu bekommen oder sich als „freier“ Obdachloser – jene, die sich den Regeln der Notschlafstelle nicht unterordnen möchten oder vielleicht dort keinen Platz finden – noch ein Stündchen Schlaf auf der mit Holzdielen beschlagenen Steinbank zu gönnen. Sie alle sehen zu, wie sich Tag für Tag die ersten Geschäfte öffnen und sich die Menschen „konsumbeflissen“ von einem Geschäft zum anderen vorarbeiten, meist ungeachtet jener hilfesuchenden Menschen, die sich keinen Schlafplatz leisten können oder wollen. Sie sind ständig auf der Hut vor der Polizei, die sie von ihren Zufluchtsorten als „öffentliches Ärgernis“28 wegweisen – von jenen öffentlichen Orten, die ihnen temporär als sicheres Refugium dienen. Die Geschäftsführerin Maria meint zur Präsenz dieser marginalisierten Menschen: „Ja, sie stören das Bild, jedoch nur insofern, dass man eben immer daran erinnert wird, dass man selbst eigentlich privilegiert ist.“29 Drehen wir das Kaleidoskop weiter zum späten Vormittag, wenn die „Mahü“ zu einem Ort der Begegnung wird. „Die Straße“ – so die Wiener Stadträtin Marion Gebhart – „ist ein Ort der Begegnungen, ohne den es kein Zusammentreffen an anderen dafür bestimmten Orten […] gibt. Auf der Straße, der Bühne des Augenblicks, bin ich Schau- spieler und Zuschauer zugleich, zuweilen auch Akteur. Hier ist Bewegung, die Straße ist der Schmelztiegel, der das einnimmt: der Ort des Wortes, der Ort, an dem Worte und Zeichen ebenso wie Dinge getauscht werden.“30 Durch die Bewegung, so Jürgen Hasse, werde die Straße zum Raum und der Raum sei eine 27 Vgl. Begegnungszone: www.youtube.com/watch?v=T_REmj_tD-g (Zugriff 15.09.2018). 28 Wiener Landessicherheitsgesetz: Beeinträchtigung des örtlichen Gemeinschaftslebens. 2. Abschnitt Bettelei: www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000160 (Zugriff 05.12.2018). 29 Vgl. Interview Maria St., Geschäftsführerin, am 26.10.2018 in Wien. 30 M. Gebhart: Restfläche Gehsteig. S. 47.
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
1/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
108
Kategorien
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