Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zeitschriften
Mobile Culture Studies The Journal
Mobile Culture Studies - The Journal, Band 1/2015
Seite - 12 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 12 - in Mobile Culture Studies - The Journal, Band 1/2015

Bild der Seite - 12 -

Bild der Seite - 12 - in Mobile Culture Studies - The Journal, Band 1/2015

Text der Seite - 12 -

12 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15 Joachim Schlör | Die Schiffsreise als Übergangserfahrung in Migrationsprozessen Instrument, dem Schiff, das Ort und Nicht-Ort zugleich ist, in Bewegung und doch – da man es nicht selbst bewegt – im Stillstand: Kein Wunder, bezeichnet Michel foucault das Schiff als „heterotopie par excellence“ 7 (und kein Wunder, greifen unsere Autoren und Autorinnen auch immer wieder auf diese Bezeichnung zurück). Eine Zusammenstellung solcher Geschichten trug ich 2004 auf einer Konferenz in Jerusa- lem vor, die dem kulturellen Erbe der „Jeckes“, der deutschsprachigen Juden in Israel, gewidmet war. War diese Gruppe von ungefähr 60 000 Menschen anfangs, in den 1930er-Jahren, inner- halb der jüdischen Gesellschaft auf dem Weg zum Staat wegen ihrer Neigung zur Beibehaltung europäischer Gewohnheiten und ihrer Distanz zum zionistischen Ideal argwöhnisch betrachtet und oft heftig kritisiert worden, so stand bei dieser großartigen und anrührenden Gelegenheit ihr Beitrag zur Entstehung und Entwicklung des Staates Israel, in der Verwaltung, in Rechts- wesen und Medizin, und zumal in der Kultur, im Vordergrund. Vielleicht war es deshalb keine so gute Idee, denjenigen, die sich und ihr Ankommen feiern wollten, in einem Vortrag mitzu- teilen, sie befänden sich nach meinem Eindruck immer noch, mental, „auf dem Schiff“.8 Aber wie anders konnte man verstehen, dass dieses Erlebnis der Schiffsreise, mittlerweile Jahrzehnte zurückliegend, einen solch zentralen Ort in der Erinnerungstopographie der Emigranten ein- nahm? Dass sie die eigene Reise und die Begegnungen mit anderen Reisenden nicht nur damals ausführlich beschrieben und fotografiert haben, sondern auch beim Rückblick mit Emotion davon sprachen? 9 Mir schien diese starke Verankerung, um ein maritimes Bild zu wählen, des Schiffs in der Erinnerung ein Beleg dafür zu sein, dass die oft nur recht kurze, aber sehr prä- gende Phase zwischen Abschied und Ankunft, zwischen Woher und Wohin, ein Element des Unterwegsseins in diese Lebensgeschichten eingeschrieben hatte. Wenn wir die Biographien der Emigranten verstehen wollten, dann wäre das Schiff ein Ort, von dem aus wir, mit ihnen und ihren Erinnerungen, sowohl zurück wie voraus blicken könnten – ein thirdspace, um gleich auch diesen, von Edward Soja und homi K. Bhabha je unterschiedlich eingeführten Begriff zu verwenden: nicht „hier“, nicht „dort“, sondern dazwischen.10 Dazu folgen hier nur einige Bei- spiele aus einem großen fundus. Gabriele Tergit schreibt von ihrer Reise im Jahr 1933: „Auf dem Schiff fahren jetzt die Deutschen. Bald viele, bald weniger viele – ein unaufhör- licher Strom. Sie stehen an der Reling, im städtischen Anzug, in langen hosen. Der Wind kommt, die Sonne, sie haben nur eine Reisemütze, als einziges, das sie sportlich macht, sie sehen aus wie herren, zu denen der Arzt gesagt hat, ‚Ihre sitzende Lebensweise verlangt, dass Sie einmal eine Schiffsreise machen, Ihre Nerven gründlich auskurieren‘. Es sind keine flüchtlinge mit roten Betten und geschnürtem Bündel, es sind nur Reisende, aber der 7 foucault, Michel. 1993 (1967). „Andere Räume“, in Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer ande- ren Ästhetik; Essais, Karlheinz Barck, 5., durchgesehene Auflage (Leipzig: Reclam) p. 39. 8 Schlör, Joachim. 2005. ‘Auf dem Schiff’, in Zweimal Heimat. Die Jeckes zwischen Mitteleuropa und Nahost, herausgegeben von Yotam hotam und Moshe Zimmermann (frankfurt am Main: Beerenverlag), pp. 121-124. 9 Schlör, Joachim. 2014. ‘„Solange wir auf dem Schiff waren, hatten wir ein Zuhause.“ Reisen als kulturelle Praxis im Migrationsprozess jüdischer Auswanderer’, Voyage. Jahrbuch für Reise-und Tourismusforschung 10 2014, Mobilitäten!, pp. 226–246. 10 Soja, Edward W. 1996. Thirdspace: Journeys to Los Angeles and Other Real-and-Imagined Places (hoboken, NJ: Wiley); Bhabha, homi K. 2004. The Location of Culture (Abingdon: Routledge)
zurück zum  Buch Mobile Culture Studies - The Journal, Band 1/2015"
Mobile Culture Studies The Journal, Band 1/2015
Titel
Mobile Culture Studies
Untertitel
The Journal
Band
1/2015
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2015
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
216
Kategorien
Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Mobile Culture Studies