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Mobile Culture Studies. The Journal 1 2015
Ursula Feldkamp | Seereiseerfahrungen in zwei BordtagebĂĽchern des 19. Jahrhunderts 63
„Jetzt werde ich auch wohl mehr wieder zu diesem Tagebuche kommen, da ich sonst gar
keine Unterhaltung mehr mit Euch, Ihr Lieben, hätte. Es ist heute Donnerstag der 16te
und gestern gingen unsere Briefe nach Deutschland fort zu herrn Reuter, der heute, denke
ich, damit absegeln wird. So ist’s denn nun vorbei mit dem lieben Geschäft, wo ich Euch
erzählen und denken konnte Ihr leset bald was ich schrieb. (…) Die Empfindungen des
Augenblicks aber zu beschreiben erlaubt man sich äußerst selten, weil man ja weiß, wie spät
erst diese Gedanken gelesen werden.“ (53)
Nach Angaben der KirchenbĂĽcher heiratete caroline kurz nach ihrer RĂĽckkehr nach Bre-
men 1802 den Schiffsmakler Philipp von Lingen. In ihrem Tagebuch werden weder er noch
eine beabsichtigte Ehe mit ihm erwähnt, doch waren die „Lingens“ offenbar freunde der von
Aschens, denn caroline nennt die familie dreimal in ihrem Tagebuch, z.B.: „heute – seid Ihr
vermuthlich bei Lingen, o, könnte ich da in Euren lieben Zirkel eintreten!“ (21) Es erscheint
plausibel (wenngleich nicht belegbar), dass caroline dem Bremer Schiffsmakler versprochen
worden war und dass ihre heirat nach angemessener Trauerzeit erfolgen sollte. Am 18. Sep-
tember 1803 gebar caroline ihr einziges Kind, eine Tochter. Schon zwei Jahre später, am 6.
November 1805, starb Philipp von Lingen im Alter von 41 Jahren. caroline ĂĽberlebte ihn um 15
Jahre und starb am 30. Mai 1820.
Die Biografie der Tagebuchautorin macht deutlich, dass sie häufig mit dem Tod von Men-
schen, die ihr nahe standen, konfrontiert wurde. Neben ihrer Mutter, ihrem Vater und zwei
jüngeren Schwestern hatte sie mit 31 Jahren auch den Tod ihres Gönners de Block erlebt, und
wenige Jahre später den des eigenen Mannes. Nach der damaligen Rechtsauffassung war sie
durch ihren Witwenstand erstmals selbständig und konnte über ihr Erbe verfügen.
Das 146 handschriftliche Seiten umfassende Tagebuch der caroline von Aschen „seit mei-
ner Abreise von Bremen nach Baltimore Ihren Schwestern gewidmet“ beginnt nach kurzer
Vorrede am 28. März 1801 und endet mit ihrer Rückkehr nach Bremen am 28. Juli 1802, kurz
nach dem Einlaufen des Seglers in die WesermĂĽndung.
Die Reise der Caroline von Aschen
Die Reise begann mit einer fahrt von Bremen weserabwärts mit einem Kahn bis nach „Zwei-
borg“, dem Weserarm Schweiburg, wo die Bark „Batavia“ lag. Wegen der Versandung der Weser
konnten große Schiffe nicht bis nach Bremen gelangen, sondern lagen, nördlich von Brake, auf
der Oldenburger Weserseite, auf Reede. Die Reisenden wurden hier mit der Nachricht konfron-
tiert, dass der Kapitän der „Batavia“ wegen zwei gebrochener Rippen die Reise nicht antreten
konnte und ersetzt werden musste. Grimmige Kälte und Sturm verzögerten die Ausreise um
ganze zehn Tage. Die Passagiere hatten ihre Kammern bereits bezogen und fristeten frierend
ein ungemütliches Dasein: „(…) ach, so ist denn dies die letzte Nacht im Vaterlande! Vielleicht
die letzte Nacht meines Lebens auf festem Lande! – Wie Gott, mein Vater will – ich folge wohin
er ruft, es sey Leben oder Tod“, (11) schreibt caroline verzagt. Bereits in diesen Zeilen wird ihre
Ergebenheit in ihr Schicksal deutlich.
Der neue Kapitän, der Neffe des kranken, segelte schließlich, trotz des schlechten Wetters,
gemeinsam mit den anderen Schiffen, die hier vor Anker gelegen hatten, aus. Vor Wremen
setzte er die „Batavia“ im Sturm um ein haar auf eine Sandbank und sah sich zur Umkehr
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal