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Mobile Culture Studies. The Journal 1 2015
Ursula Feldkamp | Seereiseerfahrungen in zwei Bordtagebüchern des 19. Jahrhunderts 71
113 Kommerzlasten, doch war sie als
Bark getakelt und mit weitaus gerin-
geren Vermessungen, einer Länge
von 26,6 m, einer Breite von 7,7 m.
Durch den geringen Tiefgang von
3,2 m war gewährleistet, dass die
„Batavia“ überhaupt in die Weser
einlaufen konnte, während große
Schiffe wie die „Goethe“, ungeach-
tet ihres fast doppelt so großen Tief-
gangs, im 1827 neu gegründeten Bre-
merhaven am Kai des neuen hafens
festmachen konnten.
Die Schreibers waren nicht mit
einem privaten Kahn, sondern mit
einem Dampfschiff nach Bremerha-
ven gekommen. Diese Linienverbin-
dung wurde seit 1833 von der Bremer
Reederin Anna Lange betrieben. Da
der Wind günstig war, brachte der
Kapitän die Geschwister eilig zum Schiff. Ludwig Schreiber schildert das Betreten des Schiffes
als Augenblick der Zäsur:
„Wie mächtige Gefühle meine Brust durchkreuzten, als wir das Schiff betraten, das uns
nach dem Lande führen sollte, das wir zur zweiten heimath wählten, welche fragen in
unserem Inneren wogten, davon lasst mich schweigen. Nur muthig aufgeschaut und auf
Gott vertraut, war und bleibt unser Motto auf der fahrt zum fernen Ziel!“ (14)
Er zeigt damit, dass trotz der Schwere des Abschieds seine Gedanken um die erhoffte neue Per-
spektive in der neuen heimat kreisen; sein Blick war nach vorn gerichtet. Anders als caroline
glaubte Ludwig an die Erhörung seiner Gebete und erwog kaum ein mögliches Scheitern des
Schiffes. Als die Bewegungen des Schiffes eines Tages allzu arg wurden, bekennt Ludwig: „(…)
schauerlich ist es doch ängstlich macht es mich nicht, im Gewitter wie im Sonnenschein ist der
Vater über den Sternen uns nahe, er führet uns, er beschützt uns, seiner Bestimmung können
wir nicht entgehen.“ Sein Glaube an die Vorbestimmung ist aber geknüpft an die hoffnung,
dass „mit des Allmächtigen hülfe“ die „fremden Elemente“ ihre „Wuth nicht gegen uns auslas-
sen wird.“ (41)
Die Mehrzahl der Passagiere an Bord der „Goethe“ waren Katholiken, die sich Sonntags
zum Gottesdienst an Deck zusammenfanden. Nach Angaben des Tagebuchs stammten sie
aus Bayern, hessen und aus dem Südoldenburgischen. Die Schreibers nennen ihre Landsleute
aus holdorf, Damme und Steinfeld „Torfbauern“ und meinen damit vor allem die heuer-
leute. Großbauern der Region überließen ihren sogenannten heuerlingen eine Kate mit einem
kleinen Landstück und forderten dafür fronarbeit ein. Der historiker Johannes Ostendorf
gibt an, dass die heuerleute wegen der ungerechten Markenteilungen in den 1830er Jahren die
Abb 6. Modell des 1876 in der La Plata-Mündung
gestrandeten Vollschiffs „Goethe“
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal