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74 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2015
Ursula Feldkamp | Seereiseerfahrungen in zwei BordtagebĂĽchern des 19. Jahrhunderts
Mangel an Trinkwasser und versalzenem Essen her, z. B. dem Salzfleisch, das vor dem Kochen
mit Meerwasser „entsalzen“ wurde. Die Bewohner der Kajüte bekamen bessere Kost, und vor
allem genügend zu trinken: „(…) Wein, so viel wir haben wollten, wovon wir nur Gebrauch
machen mit Zuckerwasser vermengt, (…)“, dazu Kaffee und Tee.
Auch caroline von Aschen wusste, wie wichtig der Kapitän für den Verlauf der Reise war
und zeigte sich höchst besorgt darüber, dass der erfahrene Kapitän husmann der „Batavia“
ausfiel. Er war in Bremen bereits viele Jahre auf der Route nach Baltimore unterwegs und hatte
sich erst im Vorjahr ein neues Schiff bauen lassen, das weitaus größer war als sein altes, die
Brigantine „Batavia“. Barken waren noch nicht so gebräuchlich und der Kapitän eines solchen
Schiffes nicht so leicht ersetzbar. Doch fasste caroline auch zu husmanns Nachfolger Ver-
trauen. In einem gefährlichen Sturm schildert sie, wie sie selbst mit Madame de Block in der
Koje des abwesenden Kapitäns Schutz suchte.
„Im Augenblick darauf ward es auf einmal finstere Nacht; schreckliche Blitze, Sturm und
Platzregen kam auf einmal und schreckte uns hier weg. Wir flĂĽchteten in die dunkle Kam-
mer des capt., wo sich bald auch die jammernden laut schreienden Weibsleute zu uns
versammelten. Meine Gefährtin zitterte am ganzen Leibe und fürchtete ohnmächtig zu
werden, sie kroch da in den capt. sein Bett und zog mich auch hinein; die Mädchen wim-
merten und beteten laut, alles was sie wußten und was ihnen die Angst eingab.“ (35)
Es ist das einzige Mal, dass caroline von Aschen auf der hinreise andere Personen erwähnt
als Besatzung und ihre „Gefährtin“, Madame de Block. Der Eintrag macht deutlich, dass die
frauen mit Personal unterwegs waren und dass sich offenbar noch weitere weibliche Passagiere
auf dem Schiff befanden. Das Bordtagebuch gibt nur einen winzigen Ausschnitt der Lebens-
welt auf dem Schiff preis.
Wenn auch weitaus weniger als caroline von Aschen auf der breit und flachgängig gebau-
ten „Batavia“, so litten die Auswanderer auf dem Vollschiff „Goethe“ ebenfalls darunter, dass
auĂźer den Passagieren keine weitere fracht an Bord war und die Verteilung des Gewichtes auf
dem Schiff nicht optimiert werden konnte, so dass auch bei mäßigem Wind das Schiff rollte
und die Passagiere immer wieder seekrank wurden. Ludwig schreibt: „(…) das war mit Erlaub-
niß, ein Kotzen und Purgiren, ein Ächzen und Stöhnen und Allen unsern cajütspassagieren,
da war auch nicht einer der von dieser eklen Krankheit verschont blieb.“ (42) Der capitän
brachte als Arznei allmorgendlich ein „Gläschen Portwein zur Stärkung.“ (44) Damit wird die
Klassendifferenz in der Verpflegung einmal mehr betont. Die Schreibers suchten durch derlei
Schilderungen, die sie mit ihren abfälligen Betrachtungen der Zwischendeckspassagiere kont-
rastierten, ihren eigenen Status immer aufs Neue zu manifestieren. Ludwig pöbelte regelrecht
gegen die armen Passagiere:
„Es ist schrecklich, daß es solche Unmenschen möchte ich sagen giebt, die bey fressen und
Saufen so unnütz in den Tag hinein leben wie die Schweine unter Eichenbäumen, fressen,
sehen aber nicht die höhe woher sie kommen, so lange daß nichts mehr hinein kann, legen
sich dann auf den Bauch und schlafen.“ (51) Mit diesen Bildern aus dem Märchen vom
Schlaraffenland suggeriert er, dass es sich um einfältige Menschen handele. 14 Tage später
allerdings wendet er die Schlaraffen-Allegorie auch auf seine eigene Situation an. „(…) nein!
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal