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94 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Sabine August | Schweizer auf dem Weg nach Amerika
hunderte von Menschen. Bei schlechter Witterung und Stürmen mussten alle im Zwischen-
deck bleiben. Dabei war die Seekrankheit das größte Problem.
Die Enge, die stete Unruhe, die hitze oder auch Kälte – je nach Jahreszeit – sowie die
stickige Luft und der Teergeruch (verwendet gegen üble Gerüche) in den Schlaflagern dürfte
unerträglich gewesen sein. (siehe Abb. 3). Ein ständiger Geräuschpegel durch das Geschrei von
Kindern und durch das Lamentieren und Jammern, das husten und Niesen der Mitreisenden,
aber auch durch intime Äußerungen war allgegenwärtig. Viele Passagiere lagen apathisch auf
ihren Pritschen:
„Die hitze ist so groß, daß man sich nicht leicht genug ankleiden kann. Obgleich man so
viel freie Zeit hat, so ist man doch zu Nichts disponirt, weder zum Lesen noch Englisch
lernen. Man ist von der hitze ganz müde und matt und mag nichts thun. Daneben ist uns,
die wir an ein stilles und ruhiges Landleben gewohnt sind, der immerwährende Lärm und
Spektakel in der Seele zuwider; Tag und Nacht ist es nie ruhig und stille, und obgleich
sich der Körper an das Seeleben zu gewöhnen beginnt, so will sich das Ohr doch nicht das
Geschnatter und Geschrei gewöhnen; daß die Seele dabei auch leidet, kannst Du wohl
denken. Die Gemüthsruhe zum Lesen will sich nicht finden und wir sehnen uns nach der
Stunde, da wir wieder in Stille und Einsamkeit sein können.“ (anonym 1848, in Schelbert
& Rappolt 2009: 207)
Es ist nicht allzu verwunderlich, wenn man sich von hier wegträumte und froh war, wenn die
Seereise nicht lange dauerte.
In der zweiten hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich auf den Dampfschiffen für die
Zwischendeckpassagiere einiges zum Besseren. Es gab frische und vielfältige Lebensmittel, die
ein festangestellter Koch zubereitete. Es gab vorschriftsmäßig mehr Platz in der Koje für den
Einzelnen. Nun gab es auch Schlafsäle für Männer und frauen oder kleinere Abteilungen für
familien und Gruppen sowie Tische und Bänke, Waschräume, Küchen und Krankenzim-
mer. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es gesonderte Speisesäle für die Zwischendeckpas-
sagiere. Auch Matratzen, Bettwäsche und Geschirr stellte die Schifffahrtsgesellschaft. Man
war zwar immer noch auf engem Raum zusammen, wurde seekrank und manchmal krank,
jedoch waren diese Erfahrungen jetzt nur noch als unangenehme Erlebnisse zu verbuchen, die
einige Tage andauerten. Vor allem bestand keine unmittelbare Lebensgefahr mehr. (Bretting,
in hoerder & Knauf 1992: 111)
Wetter- und Windverhältnisse
Im Allgemeinen beginnen alle Berichte mit dem Datum des Eintrags sowie den Wetter- und
vor allem den Windverhältnissen. Ob Sturm, flaute oder mäßiger Wind und damit hoher oder
aber normaler Wellengang herrschte, war von größter Bedeutung, denn damit entschied sich,
wie unangenehm sich die aktuelle Situation an Bord gestaltete und welche folgen sich daraus
ergaben. Wenn beispielsweise ein heftiger Sturm herrschte, mussten alle Passagiere der dritten
Klasse unter Deck ausharren. Stets wird vermerkt, was bei den günstigen bzw. ungünstigen
Wetterverhältnissen an Deck passierte:
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal