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96 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Sabine August | Schweizer auf dem Weg nach Amerika
den eine arme von Allem entblößte frau gebar.“ (anonym 1848, in Schelbert & Rappolt 2009:
207)
Dass es aufgrund der Enge und der Langeweile zu Streitereien kam, ist nur zu verständlich.
„Die Zwischendeckpassagiere nehmen heute einander zum ersten Mal beim Kopfe, was viel
Geschrei und Gelächter, aber auch Beulen und blutige Köpfe absetzte. … Am 12. [Oktober
1848] hatten wir wenig Wind, dagegen viel Streit.“ (ders., in Schelbert & Rappolt 2009: 205f)
Auch kam es vor, dass blinde Passagiere aus ihren Verstecken auftauchten, „was drollige
Auftritte verursachte, indem sie zuerst von den Matrosen durchgeprügelt und dann zur Schiffs-
arbeit verwendet wurden.“ In der Auswanderungszeitung „Der Kolonist“ beschreibt christian
Münger, dass mehrere Passagiere während der lang andauernden Zählung von Passagieren, die
die Zeit bis zur Abfahrt verzögerte, einem jungen Mann halfen, in einer Kiste unbemerkt an
Bord zu gelangen. („Der Kolonist“ 1851, Nr. 16: 63 und Nr. 17: 66; anonym 1848, in: Schelbert
& Rappolt 2009: 203)
Durch die Stürme und bei so viel Verkehr auf der Nordeuropa-Nordamerika-Passage waren
Schiffskatastrophen an der Tagesordnung. In der Auswanderungszeitung wurden diese Unglü-
cke regelmäßig veröffentlicht.
Kaperungen
Der anonyme Verfasser von 1806 berichtet sogar von der Durchsuchung durch englische
Kapern [Anm. von Schelbert und Rappolt: „zum Angriff auf Schiffe besonders ausgerüstete
Segler. Sie sollten die damalige herausforderung der britischen Seemacht durch Kaiser Napo-
leon parieren“].
„Diesen nemlichen Abend geschah in der Nähe ein Kanonenschuß, und wir erblikten darauf
eine englische Brigg als Kaper ausgerüstet; da man die Segel nicht geschwind genug streichen
konnte, so folgten in kurzer Zeit noch zwei Schüsse, deren Kugeln zwischen unseren Segeln
durchpfiffen. Ein Boot mit einem Offizier und 6 Mann besetzt kam an unser Schiff und
forderte die Papier, mit welchen dann unser Steuermann sich auf den Kaper begab, welcher
kurz darauf näher kam. Unser Schiff wurde untersucht, und man fragte genau nach: ob keine
franzosen da wären? Nachdem dieser Offizier etwas Brandtwein und Zwieback eingepackt
hatte, begab er sich wieder davon“. (anonym 1806, in Schelbert & Rappolt 2009: 182)
Nahrungsmittelsituation
Lange Zeit waren die Auswandererfamilien für die Ausstattung der Lagerstätte sowie ihren
eigenen Proviant zuständig. Dabei gestaltete sich das Kochen für die frauen als ein ständiges
Problem, da es nicht genug Kochstellen auf dem Oberdeck gab. Diejenigen, die sich nicht
täglich mit viel Energie einen herd erkämpfen konnten, mussten dann ohne warmes Essen
auskommen. Es lag allein am guten Willen des Kapitäns und an der Disziplin der Auswanderer,
Kochgruppen für bestimmte Tageszeiten zu organisieren. (Bretting, in hoerder & Knauf 1992:
106) Auch durch schlechte und unzureichende Verpflegung war hunger ein ständiger Begleiter.
Oft gab es nach geraumer Zeit Nahrungs- und Wasserprobleme aufgrund der Menge und der
Qualität. Auch darüber wird selbstverständlich berichtet:
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal