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Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Elisabeth Janik | Reiseerfahrungen polnischer MigrantInnen 113
Die Beschäftigung des IGS mit der breiten Bevölkerung und insbesondere den ärmeren
Schichten war kennzeichnend für seine Tätigkeit. Die so genannten „sozialen Erinnerungen“
machten auf Probleme innerhalb der Gesellschaft und soziale Ungleichheiten aufmerksam. Die
literarische form der biographischen Beschreibungen war im Polen der Zwischenkriegszeit ein
spezifisches Genre, das Einblicke in eine bestimmte soziale Gruppe und ihr spezifisches Milieu
ermöglichte; außerhalb Polens wurde diese Darstellung auch „die polnische Methode“ genannt.
(Lebow 2012, 298)
Das Interesse an spezifischen Gruppen führte schließlich dazu, dass nun auch Migran-
tinnen und Migranten in den fokus des IGS rückten. Im herbst 1936 rief das Institut ein
Preisausschreiben aus, das sich an alle in der Diaspora lebenden Polinnen und Polen richtete.
Die Migrantinnen und Migranten in frankreich, Südamerika, den Vereinigten Staaten von
Amerika sowie in Kanada wurden hier im Besonderen angesprochen, denn hier hatten sich die
meisten polnischen Auswanderinnen und Auswanderer angesiedelt.
In kürzester Zeit erreichte die Redaktion in Warschau eine beträchtliche Zahl von Briefen.
Insgesamt waren knapp 1.496 Erinnerungen eingegangen. (IGS 19309, p. 11) Die Menge an bio-
graphischen Dokumenten führte dazu, dass das IGS die Erinnerungen in mehreren, nach Aus-
wanderungsländern sortierten Bänden herausgab. Nicht alle der eingesandten Erinnerungen
konnten in den finalen Ausgaben der Erinnerungen berücksichtigt werden. Am Ende waren
es zwei dicke Bände über die Auswanderung und das Leben in den USA und jeweils ein Band
über Kanada, frankreich und Südamerika. (IGS 19309, p. 16) Die hohe Anzahl an Beiträgen
war darauf zurückzuführen, dass das IGS gezielt in Zeitschriften und Zeitungen annoncierte,
die sich ausschließlich an eine polnische Leserschaft im Ausland richtete, wie beispielsweise
dem Kurier Polski w Argentynie. (IGS 1939; Starczewski 2012)
Im falle der Pamiętniki Emigrantów.Ameryka Południowa gab das Redaktionsteam
lediglich einige Anregungen, was ein für das IGS guter Text alles beinhalten sollte. Die bisher
weitgehend unerfahrenen Autoren sollten ihre ganz persönliche Lebensgeschichte widergeben.
Ausgangspunkt ihrer Ausführungen sollte ihre Kindheit sein. Neben Angaben zu familie,
Beruf der Eltern, Anzahl der Geschwister und Geburtsort sollten auch Gründe für die Auswan-
derung angeführt werden.3 In der Ausschreibung wurde mehrfach betont, dass die Auswande-
rinnen und Auswanderer auch über Schwierigkeiten und Probleme sowie über ihre Eindrücke,
Erlebnisse und Erfahrungen während der Migration berichten sollten. Zudem legte die Redak-
tion großen Wert darauf, zu erfahren, wie sie nach Südamerika gekommen waren:
„Schreibt auch, ob ihr auf eigene Kosten oder auf Kosten des Arbeitgebers gefahren seid,
hattet ihr genug Geld für die Bezahlung der Überfahrt, woher habt ihr das Geld genom-
men, seid ihr mit einem gültigen Reisepass oder illegal ausgewandert, wie habt ihr euch den
Ausgang eurer Situation, in welcher ihr euch befandet, vorgestellt.” (IGS 1939, 13)
Ein weiterer Schwerpunkt des Interesses der Redaktion lag auf der Darstellung der gegenwärti-
gen Arbeits- und Lebensverhältnisse in Südamerika. Dies beinhaltete eine ausführliche Darstel-
lung des aktuellen Wohnortes, der Arbeitsverhältnisse und dortiger Einkommen.
3 Die Anmerkungen und hinweise für die Ausarbeitung des Textes lassen sich im Vorwort der Pamiętniki emi-
grantów: Ameryka Południowa (IGS 1939, 12-15) nachlesen.
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal