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114 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Elisabeth Janik | Reiseerfahrungen polnischer MigrantInnen
Darüber hinaus sollten die Auswanderinnen und Auswanderer auch über die vor Ort vorherr-
schende allgemeine medizinische Versorgung berichten (IGS 1939, 13)
Das IGS bot seinen fleißigen Schreibern für ihre in aller Ausführlichkeit verfassten Erinne-
rungen auch einen finanziellen Anreiz. Die besten drei Erinnerungen sollten prämiert werden.
Der erste Platz wurde mit 100 zł vergütet, der zweite mit 50 zł und der dritte mit 25 zł. (IGS
1939, 13)
Die hilfestellungen des IGS in form von fragen und Stichworten erleichterten den zahl-
reichen Autorinnen und Autoren ihr Schreiben. Sie konnten sich an den angeführten Aspek-
ten gut orientieren und lieferten somit auch die vom Institut geforderten Geschichten. Es ist
zudem nicht auszuschließen, dass die Vorgaben bzw. hilfestellungen des IGS diese „geforder-
ten Geschichten“ abzielten. So ist es nicht überraschend, dass in den meisten Erinnerungen
ähnliche Aspekte auftauchten. Insgesamt lassen sich drei wesentliche Punkte ausmachen, die
sich in den Erinnerungen fortwährend wiederholen.
Der erste Aspekt beinhaltete die Begegnung mit der fremden und bisher unbekannten
Welt. Diese Darstellungen inkludieren Schilderungen über die Überfahrt, die Quarantäne auf
der Ilha dos Flores („Blumeninsel“) vor den Toren Rio de Janeiros, die Neuartigkeit der Umge-
bung sowie das fehlen der spanischen oder portugiesischen Sprachkenntnisse. Des Weiteren
thematisierten die Auswanderinnen und Auswanderer auch ihren Kampf gegen bisher unbe-
kannte Krankheiten. (IGS 1939, 13)
Der zweite zentrale Aspekt der Pamiętniki stellte die Bewältigung der neuen und unbe-
kannten Situation dar. hier beschrieben die Auswanderinnen und Auswanderer ihre endgül-
tige Ankunft und die eigene Verortung in der neuen Umgebung. Sie schilderten, wie sie trotz
schlechter Lebensbedingungen, schlechter Ernten, ihren Lebensmut dennoch nicht verloren.
Der dritte und letzte Aspekt schließt sich an den vorherigen an. Denn in den zahlreichen
Erinnerungen wurde im Besonderen der ungebrochene Glaube an die Arbeit betont. (IGS 1939,
14) Die Auswanderinnen und Auswanderer unterstrichen in ihren Ausführungen ihre Zuver-
sicht, zügig Arbeit zu finden, auch wenn die äußeren Umstände schwierig waren. Besonders
bezeichnend war jedoch ihr Arbeitsethos, der sich im Besonderen durch fleiß auszeichnete.
Im Vorwort des herausgebers sowie in den einleitenden Worten von Stanisław Stempow-
ski, einem polnischen- Politikers, erfahren wir mehr über die Autoren, ihre Intensionen und
Empfindungen. Die meisten Autoren waren Arbeiter oder handwerker, die sich bereits vor
längerer Zeit oder erst vor ein paar Jahren in Südamerika niedergelassen hatten. (IGS 1939, 11)
folgt man den Ausführungen in der Einleitung, so beanspruchten die meisten Texte eine mög-
lichst reale Wiedergabe ihrer Erlebnisse. Die Texte überraschen zudem durch ihre Offenheit.
Stanisław Stempowski betont in diesem Zusammenhang, dass die Texte so verfasst wurden,
als würden die Autorinnen und Autoren ihre Geschichte einem sehr engem freund erzählen.
Diese spezifische Erzählform und Selbstdarstellung gehört jedoch auch zum Selbstverständnis
des Genres. Die Ehrlichkeit und Offenheit der jeweiligen Schreiber ist sehr charakteristisch für
die literarische form der „sozialen Erinnerungen“. (IGS 1939, 11) Die Erinnerungen dienten im
Besonderen auch der Konstruktion einer eigenen Geschichte.
Um die spezifisch literarische form beibehalten zu können, hatte das Institut besonderen
Wert auf die Beibehaltung des ursprünglichen Stils und Wortlauts der Einsendungen gelegt.
Dadurch sollte eine möglichst genaue Wiedergabe der Erlebnisse gewährleistet werden. für die
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal