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Mobile Culture Studies The Journal
Mobile Culture Studies - The Journal, Band 1/2015
Seite - 118 -
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118 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15 Elisabeth Janik | Reiseerfahrungen polnischer MigrantInnen Besonders eindringlich sind auch die Erinnerungen von einem Schmied aus Paraná. Seine Erzählung beginnt mit den Gründen für die Auswanderung. Ausschlaggebend für seine Ent- scheidung auszuwandern, war die von Michał Paniewicz geschriebene Broschüre Prawda o Paranie („die Wahrheit über Parana“, 1911), die Brasilien sehr positiv beschrieb. Pankiewicz war ein großer Befürworter der polnischen Auswanderung nach Brasilien; seiner Meinung nach bot Brasilien den polnischen Migrantinnen und Migranten günstiges Land, was bewirtschaften konnten, wie es sich für einen polnischen Bauer gehört. (Pankiewicz 1911, 138; Pankiewicz 1916; IGS 1939, 111; Mazurek 2006, 138) Im Anschluss schildert er die einzelnen Etappen der Auswan- derung bis zur Ankunft im Bremen. Nach einem dreitägigen Aufenthalt im Auswandererhotel Missler wurde er zum hafen gebracht. Dort bestieg er gemeinsam mit seiner familie das Schiff Würzburg, um nach Brasilien zu fahren. (IGS 1939, 112ff.) Seine Ausführungen über die Über- fahrt beginnen ebenfalls wie im Beispiel zuvor mit der Schilderung eines Unwetters: „Um drei Uhr nachmittags fuhr das Schiff los. Bis zum Abend waren wir alle noch gesund, in der Nacht peitschte der Wind das Meer auf, dass ein Großteil der Passagiere seekrank wurde, sodass bis Antwerpen unsere Baracke einem schwimmenden Spital glich, auf jeder Pritsche waren 2 oder 3 Personen krank. […]. (IGS 1939, 112ff.) Seine Darstellungen sind sehr pathetisch und betonen nicht nur das Ausmaß des Sturmes, son- dern auch die folgen für die Passagiere, denn viele von ihnen wurden rasch seekrank. Während der Überfahrt braute sich ein weiteres Unwetter über dem Schiff zusammen, auch dieses fand Eingang in seine Erinnerungen. Jedoch sind seine Beschreibungen drastischer als zuvor. So schreibt er, dass das Schiff am fünften Tag der Überfahrt in den Ärmelkanal in Richtung Golf von Biskaya auslief. Die Durchquerung nahm vier Nächte in Anspruch, diese wurde von einem furchtbaren Gewitter begleitet. Weiter berichtet er, dass die Wellen so riesig waren, dass sie bis zum Deck reichten. (IGS 1939, 112ff.) Die Angst vor dem tosenden Gewitter führte dazu, dass der Autor über seine und die Situationen seiner Mitreisenden poetische Reflexionen anstellte. Dabei führte er eine Erzählung des polnischen Schriftstellers Josef Grajnert an, in der die Geschichte von flork Kurzaw erzählt wird, der ebenfalls nach Brasilien auswandert. (IGS 1939, 112ff.) In der Geschichte wird der Protagonist von einer großen Welle ins Meer geschleudert. In diesem Zusammenhang führte er weiter aus: „Auf den schaumigen Wellenkämen suchte ich nach dem Gespenst der polnischen Bauern auf der Suche nach Boden und Brot.“ (IGS 1939, 113) Auch wenn sich diese Aussage sehr wahrscheinlich auf die oben erwähnte Geschichte bezog, so enthält sie doch durchaus spannende Aspekte. In der Aussage verdichteten sich sowohl Motive der Auswanderung, also die Suche nach besseren Lebensbedingungen, als auch die hinwendung zu einer spezifischen gesellschaftlichen Gruppe, nämlich die der polnischen Bauern. Die Ver- wendung und Betonung der Begriffe Brot und Boden erscheinen hier nicht nur als grundlegende Bedürfnisse der Migrantinnen und Migranten, sondern beinhalten zudem auch eine ideologi- sche Bedeutung. Ihr Besitz war nicht nur Ziel der tausenden Auswanderinnen und Auswanderer auf ihrem Weg nach Südamerika, sondern auch die Erfüllung einer polnisch-bäuerlichen Identi- tät. Das Motiv des Sturms verlieh den gesamten Schilderungen zudem einen dramatischen und schicksalhaften charakter. Den pathetischen Ton behielt der Autor bei seinen weiteren Ausfüh- rungen bei. Nachdem das Schiff für jeweils einige Stunden in Vigo, Porto und Lissabon hielt, durchfuhr ihn ein seltsames, unbekanntes Gefühl. In den Erinnerungen schrieb er:
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Mobile Culture Studies The Journal, Band 1/2015
Titel
Mobile Culture Studies
Untertitel
The Journal
Band
1/2015
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2015
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
216
Kategorien
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