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Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Anja Fuchs und Robin Klengel | “There are no cats in America” 129
Die symbolische, dunkle Bedrohung am zurückgelassenen Ort lässt sich in diesem Sinne etwa
als Vorahnung von Verfolgung und holocaust lesen, kann aber auch jede andere form von
Bedrängnis oder Not bedeuten. Die Stationen, die der Protagonist im Rahmen seiner Migra-
tion durchläuft, erinnern zwar an die Massenmigration in die USA zu Ende des 19. oder zu
Anfang des 20. Jahrhunderts, sind jedoch nicht explizit.
In der universellen Migrationserfahrung, wie sie der Künstler darstellen möchte, ist die
Schiffspassage ein elementares Element. Wir wissen zwar nicht, über welches Meer der Protago-
nist befördert wird, wichtig ist die Überfahrt aber als symbolische Zäsur, die eine große geogra-
phische Distanz – eben einen Ozean – zwischen ihn und die zurückgelassene familie bringt.
Tan schildert die Schiffspassage in zwölf gezeichneten Seiten. Die erste davon ist in neun
quadratische Panels gegliedert und beginnt mit dem Bild der Kleinfamilie – Vater, Mutter und
Kind (vgl. Abb. 1). Erst der Zoom heraus lässt erkennen, dass es sich um ein familienfoto han-
delt, das der Mann vor sich aufgestellt hat. Durch den weiteren Zoom wird sichtbar, dass wir
die Szene durch ein Bullauge betrachten, und dass sie also folglich auf einem Schiff spielt. Das
letzte Bild des Strips zeigt dann den vollständigen Ozeandampfer.
Auf den folgenden Seiten illustriert Tan Eindrücke der Überfahrt, wobei ein besonderer
fokus auf die Wolken gelegt ist. Auf einer großen Doppelseite zeigt Tan zuerst den Ozean-
dampfer, der unter einer gewaltigen Gewitterwolke seinen Weg an der horizontlinie entlang
zurücklegt. Das Schiff wirkt klein und zerbrechlich im Vergleich zur Gewaltigkeit des himmels
und der Weite des dunklen Ozeans.
Auf der nächsten Seite sehen
wir in 60 kleinen Quadraten Aus-
schnitte des himmels in unter-
schiedlicher farbigkeit (vgl. Abb.
2). Es vollzieht sich hiermit ein Per-
spektivenwechsel, denn die Leser-in
blickt nicht auf das Szenario auf
dem Schiff, sondern nimmt die
Sichtachse der Migrant-innen ein.
Wir sehen also vielleicht durch die
Augen des Protagonisten in den
himmel hinauf. Durch die Sequenz
ergibt sich ein Gefühl eines zeitli-
chen Ablaufs. Langsamkeit stellt
sich ein durch den Blick nach oben
auf die Wolkenformationen, die, so
scheint es, bedächtig vorbeiziehen.
Zu Wolken, welche Tan immer
wieder in seine Arbeiten einbaut,
sagt der Künstler in einem Inter-
view: „Sie haben etwas Magisches,
wenn sie über den himmel gleiten.
Sie sind wie eine Idee, die sich gerade
Abb. 2: Wolken (Ausschnitt)
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal