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136 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Anja Fuchs und Robin Klengel | “There are no cats in America”
Die nächste Szene spielt erneut auf hoher See, der fortgang der Zeit wird angedeutet durch
einen trüben Tageshimmel. fievel erkundet das Schiff und stößt hierbei auf fässer voll mit
heringen, ein fund von dem er infolge auch gleich seiner familie erzählt. „Mama, we saw
some fish!“, berichtet fievel begeistert, woraufhin diese erwidert: „fish? Lucky you didn’t see
some cATS.“ Das laut ausgesprochene Wort reicht, um die anderen anwesenden verschlafenen,
gelangweilten Mäusepassagier-innen zu wecken und sich achtsam umsehen zu lassen. Erst als
fievel beschwichtigend erklärt, dass er keine Katzen gesehen habe, atmen die Mäusemigrant-
innen erleichtert auf.
Was folgt ist eine musikalische Szene 2, in der verschiedene Mäuse ihre Erfahrungen mit
Katzen in ihrer alten heimat schildern. Vater Mousekewitz macht den Anfang indem er mit
den Worten “Won’t it be nice to get to America, where we don’t have to worry about cats any-
more? There are no cats in America but back home in mother Russia, ohhh!”, einleitet und
dann seinen Verlust besingt: „Our family was travelling through the snow to Minsk. Suddenly
Papa saw those huge paw prints. When I heard him screaming I fainted dead away and I woke
up an orphan. Oy wey. But-“ Was folgt ist der chorus, den nach den diversen Solos die Mäuse
alle zusammen singen. Während die einzelnen Schicksalsschilderungen teils tragisch-komisch,
jedoch immer schwermütig gehalten sind, ist der chorus geprägt von großer Euphorie, Zuver-
sicht und Zusammenhalt.
Der letzte gemeinsam gesungene chorus wird besonders lange besungen und noch einmal
um die Zeile ausgeweitet: „But there are no cats in America and the streets are paved with
cheese. There are no cats in America, that is why we sail these seas.” Während dieser letzten
gemeinsamen Gesangsszene bilden die Mäuse gemeinsam eine Pyramide und besingen so ihre
freude ĂĽber das ĂĽberstandene und (so die hoffnung) fĂĽr immer hinter sich gelassene Leid (vgl.
Abb. 7).
In dieser musikalischen Szene wird den Zuschauer-innen zum ersten Mal in aller Deut-
lichkeit die Bandbreite an unterschiedlichen Mäusen an Bord vorgestellt. Während auch zuvor
bereits Mäuse in den Vordergrund traten, die sich von der Masse der migrierenden Mäuse
sichtbar unterschieden – so zum Beispiel in der hafenszene, wo ein Mäuserich mit Zylinder,
Monokel und Gehstock als eindeutig wohlhabende Maus an Bord ging – werden hier erstmals
nationale Stereotype aufgegriffen. Intersektionelle faktoren wie herkunft, Religion, Alter und
Klasse werden gezeigt, ohne dabei zur hierarchie stiftenden Differenz erklärt zu werden. Die
geteilte Erfahrung der vergangenen Verfolgung, des Verlustes und der gemeinsamen hoffnung
auf eine bessere Zukunft im Rahmen der Migration, also eine gemeinsame Blickrichtung nach
vorne, bilden hier die Basis einer VerbrĂĽderung und Verschwesterung. Das Schiff wird als Kno-
ten- und Treffpunkt der quasi „interkulturellen“ Begegnung geschildert.
Das Ende des Liedes bedeutet auch das Ende der Szene und damit einen erneuten abrupten
Stimmungswechsel. Das Boot befindet sich im Sturm auf hoher See, die Passagiere an Bord
haben nun neben Langeweile auch mit Seekrankheit und Kälte zu kämpfen. Die Stimmung ist
an einem Tiefpunkt angelangt, auch bei der familie Mousekewitz, wo die Mutter leise „Oh, it’s
the end of the world.“ seufzt, woraufhin der Vater „No, it’s worse.“ antwortet.
2 „There Are No cats In America“ auf „An American Tail: Music from The Motion Picture Soundtrack“ kompo-
niert von James homer.
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal