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138 Mobile Culture Studies. The Journal 1 2o15
Anja Fuchs und Robin Klengel | “There are no cats in America”
Akzent gesprochen wird), so finden doch die Namensänderungen und deren Amerikanisierung
Erwähnung. Interessant ist auch, dass es keine typische Szene von der Einfahrt in den New
Yorker hafen gibt. Die freiheitsstatue als Motiv kommt erst etwas später im film vor, als fievel
auf Liberty Island landet. Daher ist die Landung in castle Garden mit seinen bürokratischen
Ritualen als symbolische Ankunftsszene umso wichtiger. hier werden Menschen und Mäuse
durch den Prozess der Namensgebung zu Amerikaner-innen gemacht, sie bekommen also nicht
nur einen neuen Status, sondern auch eine neue Identität.
Wichtig ist die zentrale Erzählung, dass eine Gruppe Schutzbedürftiger trotz aller Widrig-
keiten in Amerika eine neue heimat finden kann und somit zu guten Amerikaner-innen wird.
„Der Wunsch nach einem »Land ohne Katzen« steht symptomatisch für die Wünsche vieler
Migrant-innen, die sich mithilfe der Reise über den Atlantik eine Besserung ihrer Lebensum-
stände ohne Antisemitismus und Unterdrückung erhofften“ (Steidl 2007: 62). Neben der
realen, menschlichen Migration wird im film parallel die Migration der Mäuse geschildert.
Auch sie fliehen vor einer Bedrohung. Der Anlass des Aufbruchs ist also die Sorge um Leib und
Leben und der Verlust des heims. Dass die Mäuse aber nach Amerika migrieren wollen und
nicht irgendwo anders hin, ist zu keinem Zeitpunkt des films infrage gestellt. Die hier freilich
überzeichnete Idealisierung konstruiert die USA zu einem „Land der unbegrenzten Möglich-
keiten“, in dem es eben nicht nur keine Bedrohungen gibt, sondern mit dem auch ein konkre-
tes Wohlstandsversprechen verknüpft ist. Durch die konkrete Bedrohung wird die Migration
zusätzlich nachvollziehbar gemacht und legitimiert. „An American Tail“ ist aber gleichzeitig die
Geschichte eines Identifikationsprozesses im Rahmen eines Migrationsnarrativs: fievel wird im
Rahmen der Geschichte ein vollwertiges Mitglied von familie und Gesellschaft. Gleichzeitig
werden Verortungen und die Bildung einer „heimat“ auf Ebene der nationalen Identifikation
verhandelt.
Schon der Titel des films macht klar, dass es sich bei der Geschichte um fievel eher um
eine amerikanische, als um eine jüdische Geschichte handelt. Gezeigt wird eine idealtypische
Einwanderungsgeschichte im Rahmen des Nation-Building, in der sich die USA schlussend-
lich als sicherer hafen und Land der Zukunft entpuppen. Die Botschaft ist klar: auch wenn es
nicht immer leicht ist, kann man mit ein bisschen Geschick hier sein Glück machen. Der film
reproduziert dieses Narrativ des amerikanischen Traums auf der symbolischen Ebene in einer
„kindgerechten“ Geschichte. Gleichzeitig werden familie und nationale Zugehörigkeit als zen-
trale Identifikationsparameter dargestellt. „An American Tail is, in short, is a fantasy, a fantasy
of identity (re)constitution within the always again recuperable hold of the dual communities of
nation and family. for not only are fievel and his family Americans now [am Ende des films,
Anm.], it is America that makes this family possible“ (ebd.: 90). Dass es sich anfangs um eine
jüdische familie gehandelt hat, scheint am Ende des films kaum mehr eine Rolle zu spielen. Es
geht vordergründig eher um das Amerikaner-Werden am Beispiel eines jüdischen Jungen, als
um eine spezifisch jüdische Migrationsgeschichte.
Passagier-innen als Schwellenwesen, Schiffsgesellschaft als Communitas
hält man sich in der Betrachtung des Migrationsprozesses als einen gleichzeitigen Umwand-
lungsprozess und betrachtet diesen im Schema von Van Genneps „Rites de Passage“ (Van Gen-
nepp 1986 [1909]), so fällt besonderes Augenmerk auf das Dazwischen, in welchem die Struktur
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 1/2015
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 1/2015
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 216
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal