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8 Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Johanna Rolshoven, Joachim Schlör | Erzwungene Bewegungen und neue Ankerplätze
Ausgabe von Mobile Culture Studies. The Journal (›mcsj›) gewidmet: Es geht um erzwungene
Bewegungen und neue Ankerplätze und ihre Erschließung über aktuelle ethnographische For-
schungen. ›mcsj› 2 fragt nach den verstörenden und bereichernden Auswirkungen der groß-
maßstäblichen ebenso wie der individuellen Mobilitäten für eine sich transnationalisierende
Kultur, für Akteure, Lebenswelten, Institutionen, Strukturen, Ideologien und Weltsichten. Die
vorliegenden Beiträge knüpfen an bestehende Forschungsfelder an, öffnen neue thematische
Fenster und überprüfen Begriffe und Methoden darauf hin, ob sie den Entwicklungen Rech-
nung tragen.
Gemäß ihrem Anspruch auf Vielsprachigkeit vereint die vorliegende Ausgabe der jun-
gen Zeitschrift Beiträge aus verschiedenen Ländern, die unterschiedliche Formen kultureller
Mobilitäten in den Blick nehmen. Gemeinsam ist ihnen die Verknüpfung akteursspezifischer
Perspektiven mit strukturellen Parametern: Ereignisse, Handlungen und Emotionen mit Dis-
kursen zusammen zu denken, mit politischen Strukturen und historisch gewachsenen Dis-
positionen und Figurationen. Die Ausgabe geht über reine Wortbeiträge hinaus und bettet
Ton- und Videodokumente ein – kreative Auseinandersetzungen, die auf die Begrenztheit des
sprachlichen Ausdrucks angesichts der Unwahrscheinlichkeit und Unbotmäßigkeit vieler kon-
kreter Geschehnisse im Kontext von Fluchtmigrationen verweisen.
Erfreulicherweise gibt es in den letzten Jahren sowohl in inhaltlich-thematischen Feldern
wie im Bereich der theoretischen und methodischen Annäherungen Ansätze zu einem Dia-
log zwischen den sonst eher getrennt operierenden Bereichen der klassischen Exilforschung,
der Migrationsforschung in ihren vielen Varianten, den Diaspora Studies, der Stadt- und der
Reiseforschung. Dieser Dialog führt zur Hinterfragung von Kategorisierungen in Bezug auf
Mobilitätspraktiken und Grenzziehungen und er profitiert von einem Austausch über Quellen,
Methoden, Theorien und Formen der Darstellung.
Beispielhaft hierfür steht der Beitrag von Tony Kushner (University of Southampton). Er
verbindet den Bericht über seinen Besuch auf der Mittelmeerinsel Lampedusa, einem „hot
spot“ des Migrationsdesasters, und über die dort vorgefundenen Formen kultureller Erinne-
rung an die aktuelle Migration mit einer Diskussion des Begriffs der „illegalen Immigration“:
Diesen Begriff hat die britische Mandatsmacht in den Jahren vor 1948 geprägt, im Bestreben,
die jüdische Einwanderung nach Palästina zu begrenzen und dabei – ein Skandal der Zivili-
sation – auch „Notlandungen“ zu verweigern, damals das Drama des Exodus, heute das der
Landungsverhinderung von Bootsflüchtlingen.
Die positive Entwicklung hin zu Dialog und Austausch der wissenschaftlichen Felder hat
vielleicht auch damit zu tun, dass die beiden traditionell dominierenden Disziplinen in der
Exilforschung, Geschichte – zumal politische Geschichte – und Literaturwissenschaft, sowie
die klassische Migrationsforschung mit ihrem „push- and pull“-Modell in den letzten Jahren
durch Arbeiten aus dem weiten Bereich der Kulturwissenschaften, aber auch der Ökonomie
oder der Rechtsgeschichte, herausgefordert wurden. Einen wichtigen Fortschritt stellte das von
Claus-Dieter Krohn konzipierte Jahrbuch Exilforschung 2009 zum Thema „Exil, Entwurze-
lung, Hybridität“ dar. Wenn wir in vielen verschiedenen Formen versuchen, die komplexe und
vielfältig verästelte Lebenswelt der Akteurinnen und Akteure von Migrationen im 19. und 20.
Jahrhundert (mit Max Weber) „unter dem Gesichtspunkt ihrer Kulturbedeutung“ zu untersu-
chen, also kulturwissenschaftliche Theorien und Methoden so auf unser Thema anzuwenden,
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 2/2016
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 2/2016
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 168
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal