Seite - 95 - in Mobile Culture Studies - The Journal, Band 2/2016
Bild der Seite - 95 -
Text der Seite - 95 -
Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik 95
Menschen, zwar nie gĂ€nzlich in den Hintergrund rĂŒckte, aber auch nicht das allein bestim-
mende Thema war. Die Auseinandersetzung selbst rĂŒckte verstĂ€rkt in den Vordergrund â ins-
besondere ihre rhetorische AusprÀgung und die Frage nach den Folgen, die mit einer bestimm-
ten Ausdrucksweise einhergehen können.
Dass ein Wirkungszusammenhang zwischen Sprache (hier: Rede) und Handlungen
besteht, wurde einleitend bereits angenommen. Der Beweis eines solchen Zusammenhangs ist
jedoch nicht leicht zu erbringen â und dies wird umso schwerer, je konkreter er im Einzelnen
aufgezeigt werden soll. Wer also nachweisen möchte, dass die einzelne Aussage einer Person
eine andere Person zu einer bestimmten Handlung motiviert, stöĂt auf Schwierigkeiten, die
mit der rÀumlich-diskursiv wachsenden Distanz beider Personen zueinander zunehmen. Wenn
es sich also nicht um einen direkten kommunikativen Zusammenhang, z.B. im Sinne eines
Befehls (A befiehlt B, eine Handlung auszufĂŒhren), einer Empfehlung o.Ă€. handelt, ist es zwar
prinzipiell möglich, Interdependenzen zwischen kommunizierten Inhalten und Handlungen
aufzuzeigen. Die Frage nach der Verantwortung jedoch lÀsst sich dadurch nicht beantworten,
sondern zunÀchst nur aufwerfen.
Wir möchten mit diesem Beitrag ein spezifisches kommunikatives Feld in den Blick neh-
men. Wir fragen, wie Bundestagsreden im Jahr 2015 im Kontext von Fluchtmigration Bilder
erzeugen. Dazu beschrÀnken wir uns auf Metaphern, da wir darin einerseits besonders wirk-
mÀchtige, andererseits aber auch besonders offen interpretierbare rhetorische Formen erken-
nen. Eine kulturwissenschaftliche Herangehensweise bedeutet fĂŒr uns, die Verwendung von
Metaphern in den analysierten Bundestagsreden zu kontextualisieren, d.h. (partei-)politische,
kulturelle oder auch massenmediale Interdependenzen zu beachten.
Der Beitrag versteht sich als erster Versuch einer metaphorologisch-kulturwissenschaftli-
chen Analyse politischer Diskurse und deren rhetorischer Strukturen. Er hat somit eher einen
Explorations-Charakter und erhebt keinen Anspruch auf theoretische und methodische Voll-
kommenheit. Wir möchten damit dazu beitragen, dass sich kulturwissenschaftliche Expertise
auch verstÀrkt auf dem Feld kritischer politischer Analysen bewegt und auch im öffentlichen
Diskurs wahrnehmbar auftritt. Im Aufbau werden wir zunÀchst unsere theoretische Perspek-
tive vermitteln, die sich aus unterschiedlichen philosophischen, sozial- und kulturwissenschaft-
lichen AnsÀtzen sowie kognitionswissenschaftlichen Analysen und Erkenntnissen speist. Im
Anschluss fokussieren wir vier Metaphern, die besonders hÀufig in den Bundestagsreden ver-
wendet wurden und wenden unsere Analyseperspektive exemplarisch an.
Theoretischer Abriss: Metaphorologie und Cultural Studies
âDas âParlamentâ â das Reden steckt schon im Wort. Wirklich war das Recht der öffentli-
chen Debatte eine Errungenschaft, erkÀmpft, mit Leiden bezahlt, mit Blut begossen. Es
war das Recht, nicht die ErklĂ€rung des Königs oder der Obrigkeit hinnehmen zu mĂŒssen,
sondern dem Weg der offenen Auseinandersetzung zu einer Entscheidung kommen zu kön-
nen. Das Parlament ist der Raum, in dem alles spricht. Der Parlamentarier ist einer, der
Kommunikation herstellt und verwaltet. Der Plenarsaal ist der Ort, in dem ein Handeln
durch Sprechen vollzogen wird. Parlamente steuern, verdichten, prononcieren die politische
Kommunikation.â (Willemsen 2014, S. 22f.)
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 2/2016
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 2/2016
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 168
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal