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Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik 105
Ganz ähnlich äußerte sich auch Thomas Oppermann, indem er „bessere Kontrollen an der
Grenze“ forderte und im selben Atemzug betonte, dass es mit der SPD keine „Grenzhaftla-
ger für tausende von Flüchtlingen“ geben werde (Thomas Oppermann, Bundestagsrede am
15.10.2015).
Bemerkenswert ist das einvernehmliche Verständnis der Sicherheit als die Sicherheit von
„uns“ vor „denen“. Mit dieser Metapher stilisieren die Redner_innen sich und die deutsche
bzw. europäische Bevölkerung zu Opfern und machen Geflüchtete zu Tätern. Betrachtet man
die Situation Geflüchteter an den europäischen Außengrenzen, so drängt sich die Frage auf,
warum mit der Forderung nach einer besseren „Sicherung der Außengrenzen“ eigentlich nicht
die Forderung einer europäischen Seenotrettung gemeint ist (vgl. Kopp 2011). Es zeigt, dass
„Sicherheit“ der europäischen Bevölkerung vorbehalten bleibt.
Die Metapher steht im Einklang mit dem Sicherheitsdiskurs, der im Kontext von Flucht-
migration regelmäßig geführt wird: „Securitisation has emerged as the dominant hegemonic
discourse type of migration.“ (Moore 2012, 76) Gabriele Zdunnek hat diesen Sicherheitsdiskurs
analysiert und schreibt:
„Deutschland und andere Länder der Europäischen Union orientieren sich […] am Konzept
der ‚erweiterten‘ Sicherheit, das in starkem Maße von der Wahrnehmung neuer (nicht-
militärischer) Risiken und Bedrohungen geprägt ist.“ (Zdunnek 2011, 347)
Neben Terrorismus, innerstaatlichen Konflikten u. a. wird im Weißbuch des deutschen Ver-
teidigungsministeriums auch „Schutz vor illegaler Migration“ aufgeführt. (Zdunnek 2011, 347)
Dies rechtfertigt beispielsweise Einsätze der Marine gegen Schlepper und Geflüchtete. Dahin-
ter steckt das Konzept der „Securitization“, also der ‚Versicherheitlichung‘ „nicht-militärischer
Politikfelder wie Armut, Gesundheit, Migration und Umweltzerstörung“ (Zdunnek 2011, 347).
Jene Politikfelder stellen aus einem solchen Blickwinkel einen Sicherheitsmangel und damit
eine Bedrohung dar. Als Reaktion auf die Bedrohung könnten gewaltsame Maßnahmen legiti-
mer erscheinen und Einsätze des Militärs gefördert werden (Zdunnek 2011, 348).
Folglich ist die Metapher „Sicherung der Außengrenzen“ Teil eines relativ neuen domi-
nanten Diskurses über Sicherheit im Kontext von Fluchtmigration, an dem führende Bundes-
politiker_innen maßgeblich Anteil nehmen, indem sie die Metapher mitsamt ihren subtilen
Implikationen im Forum des Bundestages (und darüber hinaus) verbreiten.
Gesetzespaket
Im Sinne Sigmar Gabriels wurde ein „Paket für die Flüchtlingshilfe“ (Sigmar Gabriel, Bundes-
tagsrede am 10.09.2015) geschnürt, Angela Merkel spricht von einem „umfassenden Maßnah-
menpaket“ (Angela Merkel, Bundestagsrede am 24.09.2015) und lobt „alle Maßnahmen unseres
Gesetzpaketes“ (Angela Merkel, Bundestagsrede am 15.10.2015).
„[D]as Paket ist eine rundum stimmige, alltagstaugliche und nicht weiter auffällige sprach-
liche Hilfskonstruktion, gewissermaßen eine stille und fleißige, keineswegs eine kühne und
erst recht keine erschreckende Metapher.“ (Spinnen 2014, 98)
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 2/2016
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 2/2016
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 168
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal