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Mobile Culture Studies. The Journal 2 2o16
Arthur Depner, Simon Goebel | Rede Macht Asylpolitik 107
Wir möchten daher auf die eingangs beschriebene Genealogie bedeutungsüberschüssiger Meta-
phern hin zu Kollektivsymbolen oder gar absoluten Metaphern zurückkommen. Wir haben
festgestellt, dass die Metapher „Bekämpfung der Fluchtursachen“ je nach politischer Couleur
unterschiedliche Subtexte transportiert. Insofern handelt es sich hierbei um eine Metapher
mit einem großen Bedeutungsüberschuss, sie ist vage und offen für diverse Interpretationen.
Ein basales Grundverständnis der Bedeutung der Metapher ist gegeben, da sie Entschlossen-
heit, Handlungsfähigkeit und Macht zum Ausdruck bringen soll bzw. entsprechend gerahmt,
„geframed“, ist. Ihr fehlt jedoch eine inhaltliche Konkretion, die über das Grundverständnis
hinausweist.
Was die Metapher der „europäischen Wertegemeinschaft“ angeht, so ließe sich diese als
„absolute Metapher“ im Sinne Blumenbergs verstehen. Sie rekurriert auf ein sinnlich nicht oder
kaum erfahrbares Phänomen, das außer in eben dieser metaphorischen Form kaum sprachlich
erfassbar scheint. So bleibt auch sie relativ vage, indem sie komplexe Inhalte, auf die sie abzielt,
nicht expliziert; gleichwohl scheinen sämtliche Redner_innen ähnliche Vorstellungen damit zu
verbinden.
Die „absolute Metapher“ der „europäischen Wertegemeinschaft“ gewinnt durch die „Siche-
rung der Außengrenzen“ gewissermaßen an Konkretion im Sinne eines Territoriums. Durch
ihre „Sicherung“ gewinnen Grenzen ein hohes Maß an sinnlicher Wahrnehmbarkeit in Form
bewaffneter Grenzschützer, Barrieren und Grenzzäune. Vielleicht kann die Rede von der
„Sicherung der Außengrenzen“ als Kollektivsymbol einer europäischen Gemeinschaft unter
neuen Vorzeichen gesehen werden. Es bleibt abzuwarten, welche Wirksamkeit die Rede von
der „Sicherung der Außengrenzen“ auch auf die Imagination einer „europäischen Wertege-
meinschaft“ hat. Es ist fast davon auszugehen, dass diese territoriale Konkretion auch eine
Konkretion auf ideeller Ebene erzwingt – eine Konkretion, die weniger auf einer eingeübten
Selbstverständlichkeits-Logik basiert, sondern gegebenenfalls sogar selbst eine sinnlich erfahr-
bare Dimension hat. Eine Möglichkeit hier sinnliche Erfahrbarkeit zu erzeugen, stellen Rege-
lungen, Beschlüsse und Gesetze bzw. vor allem deren Umsetzung dar.
Damit sind wir bei der letzten zu betrachtenden Metapher, dem „Gesetzespaket“ angekom-
men. Zur Erfahrbarkeit von Gesetzen und Regelungen im Zusammenhang mit Flucht, Asyl
und Migration können wir aus unseren praktischen Erfahrungen in der Beratung von Men-
schen mit Flucht- und Migrationshintergrund und als Fachreferenten zu den rechtlichen Rah-
menbedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für diese Zielgruppe berichten: In den
letzten Jahren hat die Bundespolitik in kurzen Abständen von meist wenigen Monaten diverse
Gesetzespakete im Bereich des Ausländerrechts verabschiedet. In der Praxis führt dies immer
wieder zu Handlungsunfähigkeit, wenn sich verschiedene Akteure unklar über die aktuelle
Gesetzeslage sind. Zudem können Gesetze in der Regel nicht einfach angewendet werden; sie
entwickeln vielmehr konkrete praktische Ausformungen, die aufgrund von Gesetzesinterpreta-
tionen erst im Laufe ihrer Anwendung entstehen. Während sich also die „Schnürer“ der Pakete
als handlungsfähig, fleißig und erfolgreich erfahren, sehen sich diejenigen, die das Paket ent-
packen und jene, die den Inhalt empfangen, mit neuen Herausforderungen konfrontiert, deren
Bewältigung in vielen Fällen schwierig ist. Die Entwicklung der Metapher vom „Gesetzespaket“
wird also auch von dem wechselseitigen Verhältnis dieser unterschiedlichen Erfahrungsdimen-
sionen abhängen.
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 2/2016
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 2/2016
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 168
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal