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Mobile Culture Studies The Journal
>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 2/2020
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68 Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel) de Almeida, Müller, Wimplinger | Die Linke schaut nach Portugal ihren Bedürfnissen besser diente als der Kulturimport aus Deutschland.12 Nach der Revolution ist ein starker Anstieg von Brecht-Inszenierungen in Portugal zu ver- zeichnen (vgl. Meyer-Clason 1997: 296 & 303) sowie eine Umstellung in der Funktion des Deut- schen Instituts: Seine Hauptaufgabe bestand nun darin, Vervielfältigungsrechte und Autorisie- rungen für das wachsende Interesse an Theater- und Fernsehaufführungen deutscher Proveni- enz einzuholen (vgl. Meyer-Clason 1997: 245, 196 & 298). Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Wandel der Lissabonner Germanistik wider, die sich vor der Revolution insbesondere und in aller Ausführlichkeit der Goethezeit zuwandte, sich danach aber für „Brecht und das politische Theater (Piscator, Agitprop, Dokumentartheater)“ (Meyer-Clason 1997: 323) engagierte. Die Reisen westdeutscher Autor*innen ins revolutionäre Portugal fanden in einem Kon- text statt, in dem politische, theoretische und persönliche Reisemotivationen nicht nur auf das Bedürfnis nach Anerkennung der Nelkenrevolution im Ausland stießen, sondern auch auf ein lokal wachsendes Interesse an kulturellen Produktionen aus Ost- und Westdeutschland. Im Gegensatz zu den Gruppenexkursionen von Revolutionstourist*innen13 reisten die oben erwähnten Autor*innen zu den Orten ihres individuellen Interesses. Dennoch kann man auch in ihrem Fall ein Muster ausfindig machen: Sie besuchten entweder Orte wie besetzte und auto- nom verwaltete Bauernhöfe, an denen die Auswirkungen der Agrarreform sichtbar wurden, Industriegebiete, in denen manche Fabriken von Arbeiter*innenräten geführt wurden, oder Orte des politischen Austauschs mit ihren portugiesischen Pendants: Universitäten, Theater- häuser oder den hiesigen Schriftstellerverband. Reisend schrieben diese Autor*innen über ihre portugiesischen Erfahrungen und brachten Texte mit nach Hause, die dem in Westdeutschland vorherrschenden Meinungsbild widersprachen. Ein Reise-Tableau gegen journalistische „Trugbilder“. Die Solidaritätskampagne der Zeitschrift links In Alexander Kluges Film Gelegenheitsarbeit einer Sklavin (BRD 1973, R.: Alexander Kluge) soll der in der BRD ansässige Chemiebetrieb Beauchamp & Co aufgrund einer Betriebsabwanderung nach Portugal stillgelegt werden, was die Betriebsleitung gegenüber der Belegschaft jedoch vehe- ment dementiert. Die Protagonistin des Films, Roswitha Bronski, beschließt, um Beweise für die Stilllegung zu finden, in das Billiglohnland Portugal zu reisen, wo bereits eine neue Betriebsstätte gebaut werden soll. Dort angekommen, „hat Roswitha die Bauvorhaben der Firma Beauchamp & Co mit eigenen Augen gesehen. Mit diesem Beweis fährt sie nach Hause“ (Kluge 1973: 01:17:50). 12 Dass sich die portugiesischen Intellektuellen dabei selbst den Raum aneigneten, zeigt eine Veranstaltung mit dem westdeutschen Schriftsteller Tankred Dorst im Januar 1974: „Um 18:30 Uhr eröffnet der Regisseur Artur Ramos vor überfülltem Institutssaal das Kolloquium zwischen Theaterleuten mit der ersten Frage an den Gast über das Thema ‚Die Verantwortung des Theatermannes‘“. Dorst selbst sollte jedoch kaum zu Wort kommen, sondern es folgten „Erklärungen der Teilnehmer. Unter dem Druck der Jahr um Jahr verwehrten Redefreiheit hat ein jeder nur ein Interesse: in einer Art privatem Kanal seine These, seine Tirade, seine Klage direkt in das gespannte Publikum zu schleudern […]. Der Gast ist vergessen. Still, fast schüchtern hört er zu, bald eine Hand am Hinterkopf, bald den Bleistift an den Lippen. […] Eine Studentin unterbricht: ‚Senhor Ramos, wir sind hierhergekommen, um Dorst zu hören, aber keine Monologe.‘ Darauf Ramos: ‚Die portugiesischen Theaterleute nutzen Dorsts Anwesenheit, um über lebenswichtige Fragen zu reden‘“ (Meyer-Clason 1997: 218–220). 13 Laut Pereira reisen „Revolutionstouristen häufig deshalb gemeinsam, weil die Zugehörigkeit zu linken Gruppen oft ein Phänomen der Gruppenbildung impliziert, in dem Politik und Freizeit nicht getrennt werden“ (vgl. Per- eira 2010: 100, Übersetzung Ana de Almeida).
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Band 2/2020
The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
2/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
270
Kategorien
Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal
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