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Mobile Culture Studies The Journal
>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 2/2020
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Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel) de Almeida, Müller, Wimplinger | Die Linke schaut nach Portugal 69 Dass die Betriebsleitung lügt, muss Roswitha nicht erst durch eine Fotografie beweisen. Der auf Ortsveränderung basierende Authentizitätseffekt, zusammen mit der Integrität der Reisen- den, wirkt mehr als die Beweiskraft eines Bildes. Roswitha bezeugt, was sie mit eigenen Augen gesehen hat, auf einem nur wenige Zeilen umfassenden Flugblatt, das sie im Betrieb verbreitet. Hierdurch kann sie in der Belegschaft politischen Druck aufbauen und die Betriebsschließung verhindern. Seitdem die SPD in den 1970er Jahren durch finanzielle und politische Unterstützung der portugiesischen Sozialisten unter der Führung von Mário Soares einen wirtschaftslibe- ralen Kurs in Portugal förderte (vgl. Birle/Sánchez 2020, 230), wurden weitere bundesdeut- sche Produktionsverlagerungen nach Portugal, wie sie Kluge in seinem Film schildert, immer wahrscheinlicher. In drohenden Betriebsabwanderungen hätte ein reales Interesse westdeut- scher Arbeiter*innen am portugiesischen Werdegang bestanden, wie Andreas Buro, Mitglied des Sozialistischen Büros, in einer Selbstkritik zur eigenen Portugalpolitik anmerkt (vgl. Buro 1976: 21f). Das Sozialistische Büro, eine außerparlamentarische Plattform zur Entwicklung und Verständigung undogmatischer linker Positionen, die sich nach Auseinanderdriften der stu- dentischen Protestbewegung in Frankfurt bildete (vgl. Oy 2007), versuchte mit einem Fokus auf parteiunabhängige autonome Initiativen in Portugal wie Land- und Fabriksbesetzungen, Spitals- und Schulgründungen ein solches Interesse herzustellen. Neben zahlreichen Analysen und Diskussionen in der hauseigenen Zeitschrift links gab es wiederholte Spendenaufrufe und eine einwöchige Portugalkampagne, im Zuge derer Mitglie- der des Sozialistischen Büros durch die BRD und West-Berlin reisten und Informations- und Diskussionsveranstaltungen organisierten. Ziel der Kampagne war es, nicht wie bei Chile erst nach dem Sturz der linken Regierung Solidaritätsaktionen einzuleiten, sondern bereits vorher möglichst weite Teile der Öffentlichkeit und insbesondere der Arbeit, ständig darüber zu informieren, was sich in Portugal wirklich abspielt und welche Schritte Kapital und imperialis- tische Regierungen jenseits aller ideologischen Verbrämungen einleiten, um sich die demokratische Bewegung in Portugal zu unterwerfen. (Maier 1974: 4) Im Zuge dieser Kampagne wurde der Film Viva Portugal!, auf den wir weiter unten noch genauer eingehen, mehr als 50 Mal gezeigt. Ende 1975 konnte das Sozialistische Büro annähernd 100.000 DM14 an Spendengeldern an autonome Initiativen wie landwirtschaftliche Kooperati- ven oder besetzte und selbstverwaltete Betriebe übergeben (Sozialistisches Büro 1975a: 2). Die auf Portugal bezogenen Analysen der Zeitschrift links blieben laut einer retrospektiven Selbsteinschätzung des Redaktionsmitgliedes Andreas Buro weitestgehend nüchtern: „Blinde Euphorie ergibt sich an keiner Stelle“ (Buro 1976: 21). Dennoch ist es sehr deutlich, dass die Zeitschrift nicht nur ein Bild von Portugal, sondern auch für Portugal macht, was der tat- sächliche Einsatz von Bildern exakt widerspiegelt. Erst im November 1974 (vgl. Maier 1974: 4), ein gutes halbes Jahr nach der Revolution, wurde ein Bild vom politischen Umbruch in Por- tugal abgedruckt. Es zeigt das Motiv der mit Nelken besetzten Gewehrläufe, das bereits aus den Vietnamprotesten 1967 bekannt war, und blieb über fünf Monate hinweg das einzige 14 Um eine Relation zu geben, in welcher Größenordnung sich dieser Betrag bewegt: Die der SPD nahe stehende Friedrich-Ebert-Stiftung beteiligte sich 1973 mit ca. 150.000 DM an der Gründung der sozialistischen Partei Portugals (PS) — ihr bis dato größtes Sponsoring einer ausländischen Partei (vgl. Birle/Sánchez 2020: 181–187).
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Band 2/2020
The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
2/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
270
Kategorien
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