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Mobile Culture Studies The Journal
>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 2/2020
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Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel) de Almeida, Müller, Wimplinger | Die Linke schaut nach Portugal 75 insbesondere der grassierenden Arbeitslosigkeit in der Region Ribatejo entgegenwirken sollte. Die Besetzung am 23. April 1975 stand im Zeichen der gescheiterten Gegenrevolution im März 1975, die den schon erwähnten revolutionären Prozess in Portugal einleitete: Der Übergangs- präsident General Spínola floh über Spanien nach Brasilien und die Soldatenräte der MFA beschlossen mittels des neu gegründeten Revolutionsrates die Verstaatlichung der wichtigsten portugiesischen Banken sowie weiterer Unternehmen aus dem Finanz-, Kommunikations-, Transport- und Industriesektor. Am 26. März trat die vierte provisorische Regierung nach der Revolution an und mit dem Regierungspakt zwischen den Parteien und der MFA begann, laut dem Historiker Valério Arcary, die Phase der Doppelmacht (Arcary 2012: 36). Die Bevölkerung nahm an den Prozessen gesellschaftlicher Veränderung teil: Die weltliche Hierarchie der politischen und sozialen Machthaber, die sich auf die kulturelle Über- lieferung von Angst und Respekt stützte, brach zusammen. Die Massen eroberten ihren sozia- len Lebensraum und gewannen immer mehr Selbstvertrauen. Sie wollten teilhaben, entscheiden. (Arcary 2012: 38) Dies spiegelte sich in den Besetzungen und der Neuaufteilung von Landgütern im Süden Por- tugals wider, vor allem in der Region Alentejo, an welcher sich insbesondere die kommunisti- sche Partei Portugals PCP beteiligte. Die Besetzung von Torre Bela unterstützte hingegen die parteiunabhängige LUAR26 (vgl. Costa 2011: 106). Der dem Kommandanten Otelo Saraiva de Carvalho27 gewidmete Film dokumentiert einen Prozess der politischen Emanzipation, in dem sich die Landbevölkerung unter Einfluss der linken Gruppe aus Lissabon teilweise erstmals poli- tisch organisierte. In Folge dessen standen viel weniger die konkreten Ergebnisse der Besetzung und der Kooperative im Zentrum des Films, sondern der Prozess: hitzige Diskussionen und die zu leistende Überzeugungsarbeit, welche damals zur Gründung einer Kooperative gehörten. Thomas Harlan war als Sohn des Regisseurs Veit Harlan trotz oder gerade aufgrund dessen Engagements als Propagandaregisseur für die Nationalsozialist*innen seit seinem Studium in Frankreich in den 1950ern in verschiedensten revolutionären Projekten aktiv. Nach Recher- chen über deutsche NS-Kriegsverbrechen in Polen schloss er sich in Italien der linken Gruppe Lotta Continua an und reiste zu Beginn der 1970er unter anderem nach Chile und die USA. Harlan könnte man bis dahin als einen reisenden Aktivisten beschreiben, welcher den Orten gesellschaftlicher Umbrüche hinterher zog. 1974 aus Chile kommend, lag Harlans ursprüng- liches Interesse an Portugal in der Umstrukturierung der Armee in Soldatenräte sowie in den Versuchen einer gewaltlosen Auflösung jahrzehntelanger faschistischer Strukturen im ganzen Land (vgl. Daney 1977a: 44). In Zusammenarbeit mit dem Kameramann Russell Parker sollte ein Film über die Soldatenräte entstehen. In einem Interview mit Christoph Hübner benennt Harlan die Motivation zum Filmen: „Unser Interesse war, dabei zu sein, wie eine Armee Selbst- mord begeht“ (Hübner 2006: 00:10:22).28 Über seine Kontakte zur Armee in Lissabon hörte Harlan von der Besetzung Torre Belas durch die LUAR und die ansässigen Landarbeiter*innen. Nachdem Harlan und sein Team bei ihrer Ankunft noch den Herzog des Landgutes vor seiner 26 Liga de Unidade e Acção Revolutionária, dt. die Liga der Einheit und revolutionären Aktion. 27 Major Otelo Saraiva de Carvalho war der höchste Vertreter jenes Flügels der MFA, der der in Portugal sogenann- ten radikalen Linken nahe stand. 28 Thomas Harlan — Wandersplitter (DE 2006, R.: Christoph Hübner)
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The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
2/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
270
Kategorien
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