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126 Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel)
Mirja Riggert | SelbstportrÀt mit Spiegelreflex
liegendes Objekt, sondern direkt auf die Betrachtenden. Damit wird jeder Voyeurismus seitens
der Rezipient/innen unterbunden. Stattdessen erfahren jene selbst eine Objektifizierung durch
den betrachtenden Blick auf sich. Die VerhÀltnisse des Betrachtens und Betrachtetwerdens ver-
mischen sich. Wolf hat auf den besonderen Stellenwert der Rezipierenden fĂŒr den Vollzug und
die Funktionen von Metaisierung verwiesen (2007: 34). Das Erkennen der zugedachten Rolle
wird dabei als inhÀrenter Verstehensmoment der Metareflexion begriffen. Denn auch wenn
sich die Betrachtenden mit der imaginierten Position nicht identifizierten, werde dennoch die
Botschaft der Adressierung aufgrund von Einordnungen sozialer Bedeutungen in die non-ver-
bale Kommunikation verstanden (Astheimer et al. 2011: 82).
Mitchell (1994: 61) beschreibt dieses SelbstverstÀndnis eines Metabildes, das in der ReprÀ-
sentation auf seine eigene Natur oder die von Bildern grundsÀtzlich verweist und dabei die
IdentitĂ€t der Betrachter/innen-Position in Frage stellt: âThe observer as object for the gaze of
the pictureâ (1994: 75). Damit werde die Selbsterkenntnis des/r Betrachters/in aktiviert, indem
die IdentitĂ€t seiner/ihrer Position in Frage gestellt werde: âIt is the paintingâs ability to desta-
bilize the position of the observer, engaging our fantasies of sovereign subjectivityâ (1994: 63).
Die Frage der Subjektposition kehre sich in dem Fall, wenn die Betrachtenden zum Objekt
des Blicks aus dem Bild werden, um. John Urry und Jonas Larsen benennen komplementÀr
zum âTourist Gazeâ den âmutual gazeâ (2011: 205), bei dem durch performative Interaktionen
zwischen Betrachter/in und betrachtetem Objekt die Machtrelationen zwischen jenen aufge-
hoben wĂŒrden. Im touristischen Kontakt gebe es immer einander kreuzende und reagierende
Blicke zwischen GĂ€sten und Einheimischen, Tourist/innen untereinander oder Tourist/innen
und Daheimgebliebenen.
FĂŒr Michel Foucault eröffnet diese reziproke Betrachtung ein komplexes Netzwerk aus
Unsicherheiten und gegenseitigem Austausch (1994: 4). Jeder Blick sei darin instabil und kehre
die Rolle von Betrachtenden und Protagonist/innen im Bild in ein unendliches Aushandeln der
Beziehung (Foucault 1994: 5). Auch fĂŒr Mitchell ist die bildliche SelbstreferentialitĂ€t nicht nur
ein formal-internes Merkmal, das einige Bilder von anderen unterscheidet, sondern erfĂŒllt prag-
matische Funktionen zur Bedeutungskonstitution von IdentitĂ€ten und Effekten (1994: 56â57).
Die Positionierung des Metabildes im kulturellen Feld spiele neben der Relation zwischen
betrachtendem Auge und Abbildung ebenso eine Rolle: â[the question of âeffectsâ and âidenti-
tiesâ] engages the status of the metapicture in a wider cultural field, its positioning with respect
to disciplines, discourses, and institutionsâ (Mitchell 1994: 57). Hierin offenbare sich das Poten-
zial des Metabildes, einen fixierten, kulturellen Status zu verweigern. Der prinzipielle Effekt von
Metabildern liege darin, die Selbsterkenntnis von Bildern herauszustellen â und damit auch
das SelbstverstĂ€ndnis der Betrachtenden in Frage zu stellen. Metabildern liege also ein âdesta-
bilizing of identityâ (Mitchell 1994: 57) zugrunde, das sich in der MultistabilitĂ€t ihrer inter-
nen Strukturen manifestiere. Die suggerierte Fremdbetrachtung auf sich selbst ist, wie bereits
in Anlehnung an Deckers AusfĂŒhrungen zur SubjektivitĂ€t im Dokumentarfilm geschildert,
als ebensolche VervielfÀltigung der Perspektiven auf das dargestellte Subjekt zu sehen, da das
Auto-Subjekt erst durch interaktive, situationsgebundene Momente der Betrachtung entsteht.
Die der Reisefotografie zugesprochenen Eigenschaften der Machtposition und potentiellen
Objektifizierung von AlteritÀt sowie der Fixierung einzelner Wirklichkeitsausschnitte in feste Deu-
tungen werden hier ĂŒber die Techniken der Metaisierung durchbrochen. Die Protagonistinnen in
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 2/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 2/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal