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Mobile Culture Studies. The Journal 4 2o18
Joachim Schlör, Johanna Rolshoven | Künstlerische Positionen und Ausdrucksformen 13
Über die Identität migrierender Künstler_innen berichtet Lora Sariaslan anhand biogra-
phischer Notizen zu türkisch-europäischen Künstlern: Nasa Tur (heute Berlin), Anny und Sibel
Öztürk (heute Frankfurt) und Servet Koçyiğit (heute Istanbul-Amsterdam). Das “heute” in den
Ortsbezeichnungen deutet die diasporische Anwesenheit der Künstler in einem übernationalen
Raum an, der nicht eine Entnationalisierung, sondern sogar eine höhere Politisierung bedeutet.
Sariaslan plädiert dafür, das „Deutsch-Türkische“, das im Schaffen dieser Künstler_innen zum
Ausdruck kommt, nicht als Doppelheit oder Bindestrich-Identität zu betrachten, sondern als
Kombination und Neugefundenes, entstanden aus der Verbindung von Kunst und Migration.
Stefanie Bürkle berichtet mit dem Fundus des Projekts künstlerischer Arbeit mit einem
Schwerpunkt auf visueller Feldforschung über die Möglichkeit zu differenzierten Sichtweisen
der „architektonischen“ Gestaltung der Häuser, die türkische Rückkehrer aus Deutschland
bauen. Es ist ein Kapitel über „anonyme Architektur“ – das Vorbild-Haus, das Zweiteile-Haus,
das Mehrschicht-Haus –, deren Gestaltung einem allgemeinen Ziel entfließt und wiederum
auf den Bauherren zurückwirkt, ein biografisches Oeuvre statt eines Architektenwillens und
differenzierter Ausdruck von realen und erträumten Lebensumständen.
Die Geschichte des Beitrags von Janine Schemmer beginnt an einer unscheinbaren Brücke
nahe einer Industriezone im Eingang zum Natisone-Tal im Friaul, unweit der Grenze zu Slo-
wenien. Brücke wie Zweisprachigkeit in den Ortsnamen erinnern an alte Zweiteilungen, an die
historische Beweglichkeit der Grenzen. 16 Kilometer oberhalb und wenige hundert Meter von
der Grenze, in der Fraktion Topolò/Topolovo, hält seit 1993 künstlerische Aktivität das Ver-
schwinden des von neun Personen bewohnten Ortes auf. Das „Stazione Topolò“ – Bahnhof –
im Namen des Festivals setzt den Kontrapunkt zur Abgelegenheit des Ortes, der nur über eine
schmale Nebenstraße erschlossen ist und doch in der scheinbaren Ruhe in starker Bewegung
ist. Die künstlerische Aneignung von Landschaft und Geschichte ist Programm und führt
Akteure von weit her heran, eine Geschichte von Migration zwischen Zentrum und Peripherie.
Charlotte Bank vollzieht die Migration von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Maghreb
und Nahen Osten der letzten sieben Jahre nach. Nicht nur stehen sie einem anderen Publikum
gegenüber, sondern sie müssen ihre Positionen inhaltlich und formal neu finden. Im Gespräch
mit Künstlern, die den Weg von Syrien nach Berlin gefunden haben, hat die Autorin deren
Umgang mit der neuen Situation ergründet und stellt einige ihrer Werke vor, die in Deutsch-
land Aufmerksamkeit gefunden haben. Sie stellt fest, wie die Etikettierung von Werken der der
betreffenden Künstler und deren Auseinandersetzung mit der Gewalterfahrung zuwiderläuft.
Sie plädiert für die empathische Öffnung europäischer Kunstinstitutionen für Bewegungen
und Motive, die diesen Künstlern kreativen Raum lässt.
In diesem Sinne wünschen wir den Leserinnen und Lesern der Mobile Culture Studies eine
anregende Lektüre.
Mobile Culture Studies
The Journal, Band 4/2018
- Titel
- Mobile Culture Studies
- Untertitel
- The Journal
- Band
- 4/2018
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 182
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal