Seite - 107 - in Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
Bild der Seite - 107 -
Text der Seite - 107 -
» Körper Kul tur .
a. Fisische Erziehung überhaupt.
In dieser Hinsicht läßt sich leider wmig Günstiges sagen. Wenn wir auch
nicht mit dem Ei der Leda, mit der Zeugung beginnen. — obwol die unglei»
chen und häusig «ach ökonomischen Rüksichten gekuppelten Heiraten und die Verehelichun»
gen mit krankhaften, verkrüppelten oder mit kretinischer Anlage behafteten Personen
Stoss genug dazu bieten würden, — so muß doch der nachteilige Einfluß berührt
werden, welchen die schweren und anstrengenden Arbeiten der armen schwangeren
Landweiber, und andere den Körper und das Gemüt derselben angreifende Ursachen
auf die menschliche Frucht im Mutterleibe ausüben. Die schweren Arbeiten werden
von den Schwangeren oft noch fortgesezt, wenn schon die Geburtwehen begonnen
haben. Bei der Geburt leistet selten eine unterrichtete Hebamme Beistand, da
die Zahl derselben zu gering ist, und die Weiber an die Nothilfe ihrer Nachbarinen
und Vauernhebammen gewohnt find. Todtgebutten, Verkrüppelungm der Kinder,
Vlutfiüffe und Gebärmuttersenkungen der Mütter, und andere Nachteile, sind nicht
selten die Folge solch' ungeschikter Geburthilfe. Das Kind wird. bevor es noch
die Mutterbrust genommen, oft viele Stunden weit, selbst bei der ungünstigsten
Jahreszeit und Witterung in die Kirche zur Taufe getragen, erhält beim Tauf-
schmaus (besonders im Windischen) in manchen Orten sogar etwas Wein oder
Met, was nicht immer ohne Nachteil.für das Kind abgeht. Die Mutter steht
oft schon am zweiten Tage nach der Geburt auf, um ihre häuslichen Geschäfte zu
verrichten, und hat wenig Zeit zur Pflege des Kindes. Fast allgemein herrscht die
Gewohnheit, den Säugl ing recht bald mit Mehlkoch zu füttern, was beson«
ders in Obersteier oft so unmäßig geschieht, daß manche Kinder davon große
Väuche bekommen, und im Nnterleibe erkranken, andere aber, zumal wenn fie dabei
noch in dunkeln, schmuzigen Stuben stundenlang eingesperrt, der sorglichen Pflege
entbehren, kr etin art ig vertappeln.
Am naturgemäßesten entwikeln sich die Kinder zwischen dem 2.
und 6. Lebensjahre, wo sie mehr sich selbst überlassen, in der Nähe der Häuser
unter freiem Himmel spielend, sich herumtummeln. Später weiden sie, falls sie
nicht eine Schule besuchen können, gewöhnlich zum Viehhüten verwendet, wobei die
ungünstigen Witterungeinfiüsse nicht selten ihre Gesundheit untergraben. Die Kin-
der werden überhaupt früh zu Arbeiten angehalten, welche oft für ihrem zarten
Körper noch zu anstrengend sind, und die harmonische Entwiklung desselben
stören. Diese Uebelstände kommen vorzüglich unter dem ärmeren Volke des
Marburger- und Vruker-Kreises vor. Die wolhabenderen Landleute und jene.
welche von der Schule und Kirche nicht zu sehr entfernt sind, pflegen ihre Kinder
ganz vernünftig und nicht seltm zwekmäßiger zu erziehen, als dies bei den meisten
Städtern im Allgemeinen der Fall ist.
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen