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Lebensart. 149
aufwachsen, dann zum Viehhüten und später ebenfalls zu Dienstboten verwendet
werden. Die Dienstboten werden zur Familie gerechnet, und den Kindern beinahe
gleich gehalten.
Religiosität ist allgemein tief in die Gemüter gewurzelt. In allen Bauern-
Familien wird vor und nach jeder Malzeit, so wie auch Abends laut gebetet, wozu
sich das gesammte Hauspersonale einfindet. An Sonn- und Feiertagen wird die
Kirche fleißig besucht. Eine gute Eitte ist der Heimgang der Familienglieder,
nach welchem allen Geschwistern das Vaterhaus, welches ein Bruder oder eine
Schwester übernommen, im Falle der Rüktehr offen steht. Obwol man zwischen
Eltern und Kindern selten äußerliche Zeichen von Zärtlichkeit bemerkt, so hegen
diese doch gegenseitg eine stille Zuneigung, welche besonders Eltern gegen ihre mili-
tärpflichtigen Söhne dadurch zeigen, daß sie solche um jeden Preis vom Militär-
dienste frei machen, und ihnen wo möglich einen eigenen Herd gründen wollen.
3) Als besondere Volks-Gewohnbeiten und Gebräuche kann man
anführen: Die Schmausereien bei Hochzeiteen, Kindstaufen und Todfällen;
die'Frohfeuer am Ostersamstage; das Pöller- und Pistolenschießen bei
Festlichkeiten (wobei manche Verunglükungen geschehen); die Volksbelustigun»
gen durch Scheibenschießen, Kegelscheiben, Eisschießen, Tanz und Musik, und das
Feiern der abgebrachten Feiertage durch Kirchenbesuch und Müffiggang (be-
sonders im Oberlande) u. s. w. Dagegen ist das Kartenspiel nicht beliebt, auch
die Wirtshäuser werden uerhältnißmäßig wenig besucht. Bei Todfällen übernemen
die Nachbarn die nächtlichen Leichenwachen, wobei gebetet, gesungen, und die
Zwischenzeit gewöhnlich mit allerhand luftigen Spielen ausgefüllt wird.
Der schöne steierische Tanz mit seinen wizigen Tanzliedeln ist im Ober-
lande noch ziemlich im Vrauck; im Grazer-Kreise aber, wo er früher in feiner
ganzen Originalität bei allen Unterhaltungen vorherrschend war, weicht dieser an»
mutige Tanz immer mehr den modernen Tänzen, wie dem Walzer, dem stürmi»
scheu Galopp und anderen unästhetischen Tänzen; die Bauern fangen hin und
wieder sogar schon an Quadrill zu trappen. Die orginele steirische Musik
mit Hakbrettel (Zimbal). Baß- und Kleingeigen wird ebenfalls nur mebr im Ober-
lande gehört.
6) Auf Aberglauben und Vorurtei le stößt man aller Orten. Sie
zeigen sich vielseitig »nd vielartig, besonders im Oberlande und auch in den Ge«
birgspartien des Grazer-Kreises. Wir müssen die schaurigen und drolligen Sagen
vom boshaften Schratl. von den alten Raunln (Alvaunen?), Druden (Drui-
den?), Bergmandeln, Berggeistern, Wetterheien u. s. w., welche noch
aus der Heidenzeit stammen, übergehen, und führen nur einige abergläubische Mei-
nungen und Vorurteile an, welche auf das Gesundheitwesen einen Bezug haben.
Die Hauptalbernheit in dieser Beziehung liegt in der vorgefaßten Meinung
nicht nur des Landvolkes, sondern selbst der Mehrzal der Gebildeten: daß alle
Krankheiten gewisse, auch von Laien erkennbare Formen baben, und daß gegen
jede dieser Formen bestimmte Heilmittel wirksam seien. Das Volk macht daher in
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen