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Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
Seite - 132 -
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432 ». Kretinische Anlage. An der großen Alpenkette, welche von Frankreich und Saoojen über die Schweiz, durch Tirol und Salzburg nach Steiermark zieht, und hier mit ihren Ausläufern gegen Oft sich allmälig verflacht, finden wir unter den Bewohnern der tiefen und feuchtkalten Täler eine eigentümliche, krankhafte Diathese, welche man die kretinifche nennen kann, da sich aus derselben oft der wirkliche Kretinismus in seiner ganzm ekelhaften Gestalt entwikelt. Von dieser Anlage wollen wir die Ur- sachen und ihr Vorkommen in Steiermark näher bezeichnen, und auch die möglichen Mittel zur Verhütung und Milderung des Uebels anzugeben versuchen. 1) Die Hauptursache der kretinischen Anlage muß vorzüglich in der Kälte und Feuchtigkeit des Bodens und der Atmosfäre gesucht werden. In den feuchtkalten, tiefen Gebirgschluchten und Tälern von 2 bis 3000 W. Fuß Seehöbe mit teilweise versumpften Sohlen, wo viel Nebel lagert, welchen erst die heiße Mittagsonne zerstreut, Abends gleich wieder feuchte Kühle eintritt; dann an den ewig schattigen Abhängen nördlicher Gebirgniederungen, wohin oft im Sommer selbst kein belebender Sonnenstrahl dringt: wuchert zwar das Pflanzenleben sehr üppig, erhebt sich aber auf keine hohe Stufe der Ausbildung; das animalische Leben bleibt in seiner Entwiklung noch mehr zurük. Die Menschen nemen selbst den kalten, schleimig-wässerigen Charakter des Bodens an; ihr Organismus kann nicht jenen Grad der Ausbildung und Kräftigung erlangen, wie in mehr trokenen, sonnigen Gegenden; sie bleiben auf einer niederen Stufe körperlicher, fo wie geistiger Entwiklung, zumal wenn sie an der frostigen heimischen Scholle klebend, sich nicht hinauswagen in die Gegenden, wo der freundliche Sonnenstrahl das animalische Leben höher potenzirt. Diese Menschen haben ein eigentümlich blödes Aussehen, einen schwer- fälligen, gedrungenen Körperbau, ein mattes, gewöhnlich graues Auge, in welchem sich kaum ein Funke geistiger Kraft ausspricht; ihre Haut ist blaß, aufgedunsen, an den Wangen öfters gerötet, die Bewegung langsam, das ganze Benemen unbehilflich, scheu, täppisch, unlustig. Bei höher sich ausbildender kretmischer Anlage geht der Körper mehr in die Breite, die Füße arten in Plattfüße aus. die Schenkel werden dik und plump, die Haltung wird gebeugt, die Schultern und der Rüken erbeben sich, die Knie sind immer etwas uorgebo- gm und die Unterschenkel bekommen gewöhnlich eine Richtung nach auswärts. Die Erscheinung überhaupt ist unschön, ohnmächtig und ohne Begeistung. Die ungünstigen örtlichen Einfiüße sind es jedoch nicht al lein, welche diese kretinische Anlage begründen und kultiviren; der Keim derselben wird ge- wöhnlich schon von den Eltern auf die Kinder übertragen, in der ersten Jugend durch Verwahrlosung in schmuzigen, dunkeln nnd dumpfigen Stuben, durch schlechte Nahrung, unzwekmäßige und ungenügende Kleidung, durch Unreinlichkeit und vielerlei abergläubische Mißbrauche genährt; er entwitelt sich in der Einsamkeit des Gebirglebens bei Mangel eines zwekmäßigen Unterrichts und aller geistig auf-
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Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
Titel
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
Autor
Mathias Macher
Verlag
Ferstl'sche Buchhandlung
Ort
Graz
Datum
1860
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.91 x 20.62 cm
Seiten
632
Schlagwörter
Topographie, Kartografie, Statistik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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