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212 Amtsbezirk Schladwing.
sehr gute Alpeutriften. Im Ennstale fehlt es nicht an Torflagern. Der Frucht-
boden ist teils schotterig und sandig, teils lehmig. Die Bodenerzeugnisse find
im Ganzen dieselben, wie im Vezirk Aussee; in geschüzteren Lagen baut man sogar
Winterkorn und Weizen, sonst Eommerftucht und allgemein Hafer, Erdäpfel,
Bohnen, Rüben und allerlei Gemüse, dann Lein, mitunter Hanf. Als Wald bäum
herrscht die Fichte vor; in höheren Lagen zeigt sich auch die Zirbelkiefer. Von
Obst gedeihen hauptsächlich nur Kirschen, Weirel, Zwetschken, Aepfel und Birnen
gemeinerer Sorten. Das Alpenrind ist hier hauptsächlich von der Gröbminger
Raffe (Mittel zwischen der Pinzgauer und kampeten Raffe). Das Pferd ist das
gemeine norische. Ziegen und Schafe werden in großer Anzal, Schweine weniger
gehalten. Wildt iere sind in diesem Bezirke dieselben wie in dem von Auffee.
Der Feldbau wird auf der kalten, seichten Alerkrumme vorzüglich nur auf Eg-
galten betrieben, und man gewinnt selten mehr als den dreifachen Samen. Die
wenigen Aeker geben ohne starke Düngung und die Wiesen ohne Bewäfferung
überhaupt nur geringen Ertrag.
Die Bewohner sind kräftig, mittelgroß, wolgebaut und gesund. Ein
Alter von 400 Iahrm und darüber ist nicht selten. Ihr Gemüt ist offen und
unverdorben. Sie sind von denen des Bezirkes Aussee wenig verschieden, und haben
viele Aehnlichkeit mit ihren Nachbarn in Oestreich und Salzburg. Die Mehrzal
ist katholisch, doch gibt es auch viele Protestanten, besonders in Ramsau. Leiten
u. s. w. Sie leben tolerant neben einander. Aberglauben oder üble Gebräuche
sind nicht erheblich. Auf den schattigen nördlichen Ausläufern des quarzigen
Urgebirges ist der Menschenschlag mehr gedrungen als auf den Südabhängen
der nördlichen Kalkgebirge. Auf den ersteren, so wie im Ennstale, gibt es viele
Menschen mit kretinischer Anlage, auch manche Halbkretinen, selten aber findet
man einen wirklichen Kretin; Kröpfe sind sowol in der Nord- als Südpartie
häufig. Die geistige Begabung des Volkes geht über das gewöhnliche Maß
nicht hinaus; die Auffassung ist langsam, aber es zeigt sich viel Hausoerftand.
Das Gemüt ist vortrefflich, treuherzig, teilnamvoll. friedfertig, religiös. Die
Scheu vor dem Eoldatenstaude gründet sich nicht auf Mangel an Mut, sondern
auf die große Liebe zur Heimat. Stille Häuslichkeit, Arbeitsamkeit und Spar-
samkeit find allenthalben bemerkbar, eben so Religiosität bei beiden Konfesfion-
parteien; aber die häusliche, so wie die Schulbildung ist bei den Protestanten vor-
züglicher. Kleidung. Wohnung. Familienleben, Nahrung. Sitten und Gebräuche
sind im Wesentlichen wie im Vezirk Aussee. Die Kleidung wird meistens in den
Häusern der Bauern verfertiget, wohin sich der Handwerker gegen Kost und Lohn
(auf die Störe) begibt. Die Wohnungen sind von Holz. in der Regel mit einem
steinernen Unterbau, die Dächer mehr fiach und mit Steinen beschwert. Der Besuch
der Wirtshäuser ist wenig üblich; die Leute vergnügen sich an Sonn- und Feiertagen
mehr zu Hause, und versammeln sich im Winter zum Eisschießen, im Sommer
zum Kegelscheiben oder Kegelwerfen (Schmarakeln). Exzesse oder Schlägereien find
äußerst selten. Bei Hochzeiten ist es üblich, daß die geladenm Gäste den
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen