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250 Amtsbezirk Murau.
des Akerbaues verhält es sich hier so, wie im oberen Ennstale. Mit Steinmoos
werden Schweine gefüttert; aus verschiedenen Beeren (Heidl- und Moschbeeren. Him-
beeren, Vogelbeeren u. s. w.) wird Branntwein erzeugt. Die Alpenflora ist besonders
in den südlichen Gebirgen reich und mannigfaltig. Die Wild- und Haustiere
sind von denen des oberen Ennstales ebenfalls wenig verschieden. Unter dem Raub-
wild zeigte sich manchmal auch der Lul. Die vielen Alpenweiden begünstigen die
Rindviehzucht. Auf den südl. Ausläufern des nördl. Wasserscheidezuges und über»
Haupt auf Alpen herrscht das kleine, braune uud kampete Vieh, in den Tälern die
semmelfarbige Mariahofer - Raffe vor. Die Pferde sind auch hier meist von der
norischen Rasse, die Gebirgschafe klein und grobwollig.
Der Menschenschlag ist mittelgroß, gedrungen, knochig, ausdauernd. Obwol
es bin und wieder, besonders in den südwestlichen Teilen viele schöne, große und
kräftige Menschen gibt, so bat die Nevölserung doch im Ganzen wenig körperliche
Auszeichnung. Kröpfe sind fast allgemein, kretinartige Anlage und Kretinen kommen
besonders am Urgebirge der Nordpartie vor und zwar in Ranten (Gegend Ratsch-
feld) ani häufigsten. Die untere Hälfte des Körpers ist stärker als die obere.
Die Jugend verblüht schnell. In geistiger Beziehung hat das Volk ein gutes
Gedächtniß und eine gesunde Urteilskraft; allein der Kreis seiner Anschauungen ist
beschränkt und die Fantasie nichts weniger als feurig. Das Gemüt ist gut,
religiös, barmherzig gegen Menschen und Vieh, der Charakter gerade und offen,
böfiich, dienstfertig, aber auch leichtsinnig und finnlich. Das Volk bat vortrefflichen Tonsinn
und liebt Tan; und Gesang. Der Sprachdialekt streicht an die Salzburger-
und Kärntner-Mundart. Die Kleidung ist von der der Ennstaler nicht wesentlich
verschieden. Die kurzen ledernen Hosen und die grauen Lodenjanker der Männer
beginnen bereits den langen Beinkleidern und Jankern oder Röken von dunklerer
Farbe zu weichen; eben so huldiget auch das weibliche Geschlecht immer mehr den
neueren Moden. Die Kopfbedekung ist beim männlichen und weiblichen Geschlechte
ein schwarzer Filzhut mit rundem Guvf und breiter Krampe, welcher für den Sommer
zu warm und zu schwer ist. Die Wohnhäuser und Viebstallungen sind beinahe
ganz so wie im Eunstale. Hölzerne Rauchstuben sind nicht selten, aber doch (schon
als Holzwohnungen) überhaupt gesünder als die feuchten und kalten, aus Bruchsteinen
gemauerten Stuben, deren schlechte Kachelöfen noch überdies oft Kohlendunft durch-
lassen, und nicht selten Kohlengas-Narkosen veranlassen. Die Pichställe sind
dumpfig und finster, und werden selten früher ausgemistet, als bis man den Dung
auf die Aeker schafft.
Das Familienleben ist. wie überhaupt im Oberlande, ganz patriarchalisch
Das gutmütige Beherbergen von Bettlern und Vagabunden bringt manches fisische
und moralische Nebel ins-Haus. Die Verhältnisse zwischen den Knechten und Mägden
haben zalreiHe uneheliche Kinder zur Folge, welche alle im Hause des Dienstgebeis
aufgezogen werden. Die Nahrung des Landvolkes wird sehr fett bereitet, und
mehrmal in der Wocke kommt geräuchertes Rind- oder Schweinfleisch auf den Tisch.
Sauerkraut ist das Hauptgemüsc. Roggenmehllnödel mit Spek, eine Art abge-
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen