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350 Hauptstadt Gra;. Gesundheit-Verhältnisse.
0. Gesnndheit-Verhältnisse.
>. Körperliche Beschaffenheit der Bewohner
Es ist schwer ein eigmtümlich körperliches Gepräge der Bewohner von Graz
(so wie von anderen großen Städten) zu unterscheiden, da der ursprüngliche Tipus
durch die Vermischung mit Fremden sich almälig mehr verwischt, und die steirische Be-
völkerung an sich schon aus zwei Hauptelementen, dem teutschen und slavischen
besteht, welche auch in der Hauptstadt hervortreten. Im Ganzen nähert sich der
körperliche Tipus der Grazer mehr dem teutschen als dem slavischen; überhaupt
erscheint Graz als eine ganz teutsche Stadt, und man hört das slavische Idiom dort
selten. Der Körperbau der Bewohner ist mittelgroß, kräftig, untersezt, ihr Kno»
chenfiftem vorzüglich entwikelt. das Gesicht rundlich, die Nase selten gebogen, der
Hals etwas dik, der Brustkorb breit und gewölbt. Das Temperament zeigt sich
ruhig, der Charakter ausdauernd und beharrlich. Die körperliche Entwikelung geht
ziemlich langsam vor sich; der Zahnwerel wird oft verspätet, und 2t)jährige junge
Leute haben bei der Rekrutirung sehr häufig noch nicht das Normalmaß. Mangel
an gehöriger Entwiklung und unheilbarer, gewöhnlich kleiner Kröpf sind die Haupt-
gebrechen, welche die jungen Leute zum Militärdienst untauglich machen, so daß kaum
jeder 15. Militärpflichtige wirklich affentitt wird.
2. Vorherrschende Krankhei ten
H. Endemische Krankheiten.
Eigentliche endemische Uebel kommen in Graz nicht vor. wol aber
viele, die in öttlichen Einflößen, in jährlich wiederkehrendm Witterungverhältniffen,
in der gewohnten Lebensart u. dgl. begründet sind.
4) Skrofeln kommen (abgesehen von erblichen Anlagen) vorzüglich nur
unter der armen Volksklaffe vor, welche gewöhnlich in feuchten, dumpfigen Erd»
geschossen, in Schmuz und Unreinlichkeit, unter vielen Entbehrungen und bei schlechter
Nahrung ihr Leben hinschleppen, und ihre Kinder verwahrlosen. Bei solchen Km«
dem treten die Skrofeln sehr häufig in torpider Form, mit pastosem Habitus auf;
die Armen werden von Spul- und Mastdarm-Würmern geplagt; oft schwillt die
Schilddrüse an. und vergrößert sich zum Kröpf. Nicht selten entwikelt sich dieser
torpid-pastose Habitus bis zu einem leichteren Grade von kretinischem Ansehen.
Leider herrscht in Graz bei manchen, sogar vermöglichen Bewohnern die lieblose
Gewohnheit, ihre Sprößlinge im ersten Lebmsjahre nicht selbst zu pflegen,
sondern armen Leuten auf die Kost zu geben; man darf sich daher nicht wun-
dern, daß Kinder selbst wolhabender Leute oft skrofulös, rachitifch oder kretinartig
trottelhaft werden, und die Sterblichkeit der Kinder überhaupt im ersten Lebens-
jahre über 30 o/<, steigt. Wirkliche Kret ins sind mir in Graz nie zu Ge-
sichte gekommm, und ich zweifle auch, daß sie hier originär vorkommm. Die we«
nigen, die mir als solche gezeigt wurden waren offenbar nur tropid-skrofulöse
Subjekte, bei welchen allerdings auch die Entnn'klung des Gehirnes zurükgeblieben,
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen