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462 Amtsbezirk Weiz.
Leuten; die älteren sind mehr gleichmütig, bedächtig und gegen Neuerungen miß«
trauisch. Im Ganzen sind sie nicht besonders freundlich oder gefällig, aber zufrieden,
dienstfertig, einträchtig, arbeitsam, und bei großer Leichtgläubigkeit geradsinnig und
wahrheitliebend, ehrlich und gutmütig; nur die geringe Freundlichkeit macht diese
Tugenden weniger bemerkbar erscheinen. Die Bewohner der Gebirge haben im
Wesentlichen dieselben Eigenschaften, find aber im Durchschnitte etwas kleiner. Sie
können stundenlang Berge besteigen ohne in Schweiß zu geraten, und auch ohne merk»
liche Anstrengung eine Last von 30—40 Pfund in der Kraren auf dem Rüken
über die Berge tragen. In dm tiefen, fchattigen und feuchten Talschluchten der
kristallinischen so wie der Ton- und Grauwakenschiefer-Gebirge aber sind sie von
einem leichten Hauche kretinischer Entartung betroffen, von welchem die Bewohner der
offenen Täler des Hügellandes, der Berghöhen und besonders der mehr trokenen
Kaltberge frei bleiben, insofern dieser nicht einzeln durch die Generazion fortgepflanzt
wird. Wirkliche Kretinen sind äußerst selten; jedoch erscheinen Halbkretinische Trottel-
haftigkeit, Blödheit und verkümmertes Wachstum ziemlich häufig — vorzüglich in
den Gemeinden Ganach, Dirntal, Mortantsch, Steinberg u. s. w., wo überhaupt
viele plumpe Gestalten mit ekigen Schädeln, kurzen Blähhälsen und kachektischem,
blödm, freudelosen Aussehen sich zeigen, welche in der Regel auch mit Kröpfen
behaftet sind. Viele Quellen der Gm. Arzberg, Garrach, Mortantsch (am AbHange des
Steinberges), dann. in einigen östl. Vergniederungen, Schluchten und Mulden des
Patschafvgel, des hohen Ze; und des Rais scheinen Kröpfe zu erzeugen, da solche hier
allgemein sind. Die Kinder werden im Gedränge häuslicher und Feld-Arbeiten häufig
verwahrloset, und allein oder unter Aufficht von größeren Kindern oder gebrechlichen
Alten gelassen; kaum 5—6 Jahre alt, müssen sie sich oft den schlimmsten Witterung-
Einflüssen auf Viehweiden aussezen. und gewöhnlich weit (oft bei 2 Stunden) in
die Schule gehen. Der Bezirk hat 7 Pfarr« und 7 Gemeiudeschulen mit 20 Lehr-
zimmern, in welchen 4623 Kinder (jeder 42. Bw.) Unterricht erhalten, fo daß auf
jedes Lehrzimmer 84 Kinder kommen. Obwol die Kinder im Sommer durch Viehhüten
und im Winter durch hohen Schnee, besonders in den Gebirgsgegenden, vom Schul-
besuche oft abgehalten werden, und von 400 Schulfähigen kaum 60 dieselbe be-
suchen, so wird doch der Religion-Unterricht in den Dörfern durch besondere Christen-
lehren erteilt, und die gröbsten Vorurteile entkräftet. In den Tal- und Hügelgegen«
dm sind die ersten Schulkenntnisse übrigens allgemein, und es findet sich selten
Jemand, der nicht schreiben oder wenigstens lesen kann. In ihren Beschäftigungen
folgen die Bewohner mehr den herkömmlichen Gewohnheiten, und sind schwer zu einigen
Verbesserungen zu bewegen. Der üble Brauch, die abgebrachten Feiertage durch
Müffigang, Spiel und Trunk zu feiern, ist besonders auf den Gebirgen noch herrschend,
und selbst im Hügellande nicht selten. Die teutsche Sprache wird hier in einer
etwas milderen und reineren Mundart gesprochen als westlich von Graz. Derselbe
Dialekt ist im ganzen nördl. Raabtale herrschend. Die vielen Fremden, welche in
den größeren Orten Gewerbe treiben, oder bei industrielen Unternemungen verwen-
det werden, vertragen das Klima gut, zumal wenn sie sich dasselbe angewöhnt haben,
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen