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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
Heutewird zu den bekanntesten philosophischenErfassungen derGerech-
tigkeitdieGerechtigkeitstheorievonJohnRawlsgezählt2.Mankannsichkaum
eine dem Thema der Gerechtigkeit gewidmete ernsthafte Abhandlung ohne
akzeptierende oder kritischeBezugnahme auf die von ihm formuliertenPrin-
zipienderGerechtigkeit vorstellen.
InderNeuzeit verlordieProblematikderGerechtigkeitnichtanBedeutung.
DieGerechtigkeitwirdweiterhinals sozialerGrundwerthochgeschätzt und ist
einwichtigerGegenstandwissenschaftlicher Forschung.Heutewerden jedoch
größereDiskrepanzenfestgestellt,wiedieGerechtigkeitverstandenwird.Diese
Unterschiede betreffen jedoch nicht nur ihr Verständnis, sondern sogar die
Existenzberechtigung einiger ihrerArten.WährenddieKategorie derGerech-
tigkeit selbst nicht inFragegestelltwird, hinterfragt zumBeispiel FriedrichA.
vonHayekdieExistenzberechtigungder sozialenGerechtigkeit.HayeksStand-
punktscheintdieKonzeptiondeshomooeconomicuszugrundezuliegen,dieden
Menschen als egoistisches Individuum ohne soziale Natur betrachtet. Seiner
Ansicht nach „gehört derAusdruck ,sozialeGerechtigkeit‘ nicht zurKategorie
eines Irrtums, sondern zurKategorie desNonsens, sowie derAusdruck ,mo-
ralischerStein‘“3.AuchwennmannichtnurdieverbaleFormberücksichtigt, in
derHayekseineMeinungzumAusdruckbringt,kannmandarineineTrennung
derGerechtigkeitvondenWerten,dievondenMenschenrealanerkanntwerden,
erkennen4.PiotrSztompkazeigtaufüberzeugendeWeise,dassdieGerechtigkeit
„die zwischenmenschlichenBeziehungen betrifft, d.h. die Art derKonstituie-
rung des zwischenmenschlichen Raumes“, was in der Konsequenz bedeutet,
dass„jedeGerechtigkeit immersozialeGerechtigkeit ist;sierealisiertsichnurin
den Beziehungen mit anderenMenschen und hat keinen Sinn in Bezug auf
isolierte Individuen“5. In einer ähnlichen, humanistischen Perspektive sieht
auchLeszekKołakowskidie sozialeGerechtigkeit. Er schreibt:
„DerBegriffdersozialenGerechtigkeit istnotwendig,umdenGlaubenzurechtfertigen
–dermirkeineswegsextravagant erscheint–,dasses eineMenschheit gibt,nichtnur
Individuen, dass dieMenschheit, der Kantischen Tradition gemäß, einemoralische
Kategorie ist, unddass dieMenschheit gegenüber ihrenMitgliedernundSegmenten
Pflichtenhat“6.
2 JohnRawls,ATheoryof Justice,Cambridge,Mass. 1971.
3 FriedrichA. vonHayek, Recht, GesetzgebungundFreiheit, Bd.2: Die Illusionder sozialen
Gerechtigkeit,LandsbergamLech1981,S. 112.
4 SiehediePolemikmitderThesevonHayek:FranciszekJ.Mazurek,Godnos´c´osoby ludzkiej
podstawa˛prawczłowieka,Lublin2001,S. 310.
5 Piotr Sztompka, Sprawiedliwos´c´, in:MałgorzataBogunia-Borowska (Hg.), Fundamentydo-
bregospołeczen´stwa.Wartos´ci,Krakjw,S.233–250,hier: S. 235–236.
6 LeszekKołakowski,Mojesłusznepogla˛dynawszystko,Krakjw1999,S. 216.
StanisławFel66
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik