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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
3. EmpirischeGerechtigkeitsforschung
EinempirischesHerangehenandieFragederGerechtigkeitwurde inderMitte
des20. Jahrhunderts zuerst vondenSozialpsychologenunternommen.Hierbei
handelte es sichhauptsächlichumdie vonGeorgeC.Homans und JohnStacy
Adams veröffentlichten Arbeiten. In den achtziger Jahren des vergangenen
JahrhundertsunternahmendannauchdieSoziologenintensiveUntersuchungen
zurGerechtigkeit.Verhältnismäßig schnell bildetensichmehrereTheorie-und
Forschungsansätzeheraus. Seit einigen Jahrenwirddie Soziologie derGerech-
tigkeit als etablierte soziologische Subdisziplin anerkannt. Zu ihren bedeu-
tendsteneuropäischenVertreterngehörtheuteStefanLiebig, einSoziologeaus
Bielefeld.
In den Sozialwissenschaften, vor allem in der Soziologie und Psychologie,
werdenheutevierForschungsperspektivenzurGerechtigkeitunterschieden:die
derEinstellungen, diebehaviorale (Verhaltensanalyse), diedesDiskurses oder
dieinstitutionelle13.IndemaufForschungderEinstellungenorientiertenAnsatz
wirdangestrebt, dieArtendesVerständnissesderGerechtigkeit undderenBe-
urteilungdurchdie jeweiligenPersonenzuanalysieren.Dies führt zuFeststel-
lungen,wasdieMenschen als gerecht ansehen,wodurchdas jeweiligeGerech-
tigkeitsverständnisbedingt istundwiesichdiese individuellenSichtweisender
Gerechtigkeit indenÜberzeugungenundHaltungenderMenschenwiderspie-
geln. Auf der Grundlage empirischer soziologischer Forschung wurde unter
anderemeineAbhängigkeitzwischendemTypderinderjeweiligenGesellschaft
dominierenden Beziehungen und dem von dieser Gesellschaft bevorzugten
PrinzipsderGerechtigkeit festgestellt. Inauf starke sozialeBindungengegrün-
deten Gesellschaften, die eine einigermaßen homogene Gruppemit Gemein-
schaftscharakterbilden,stelltdieAnwendungdesBedarfsprinzips(desPrinzips
der Bedarfsgerechtigkeit) eineVoraussetzung für die Anerkennung der Reali-
sierung sozialer Gerechtigkeit dar. Dagegen wird in Gesellschaften, die eine
Menge eher lockermiteinander verbundener Individuen bilden und in denen
sichdie Beziehungenhauptsächlich aufMarktmechanismen stützen, das Leis-
tungsprinzipalsdominierendeRegel sozialerGerechtigkeit anerkannt14.
ImbehavioristischenForschungsansatz konzentriert sich dieAufmerksam-
keit des Forschers auf die Feststellung der Verhaltensweisen von Personen in
Situationen,wennsieUngerechtigkeitenerleben.DieseForschungsperspektive
13 StefanLiebig, SozialeGerechtigkeit –Modelle undBefundeder soziologischenGerechtig-
keitsforschung, in:MonicaBudowski /MichaelNollert (Hg.), SozialeGerechtigkeiten.Dif-
ferenzen,Zürich2008,S. 33–63,S. 34–36.
14 StefanLiebig /MeikeMay,DimensionensozialerGerechtigkeit, in:AusPolitikundZeitge-
schichte.BeilagezurWochenzeitung„DasParlament“47/2009am16.11.2009,S. 3–8,hier:
S. 7.
StanisławFel70
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik