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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
1. MachtundchristlicherGlaube–einnotwendigesDoppel
Aus methodisch-pragmatischen Gründen scheint es sinnvoll, bei der Be-
standsaufnahmezwischender religiös-kirchlichenPraxisunddemBereichder
Theologie zuunterscheiden,wenngleichbeide sachlich zusammengehören, da
daseineFelddasandereprägtundbeidenichtlosgelöstvoneinander,sondernin
wechselseitiger Inspiration aufeinander existieren, nämlich als Theorie und
Praxis.
a. ImFeldder kirchlich-religiösenPraxis begegnet „Macht“ zunächst in ihrer,
von MaxWeber in „Wirtschaft und Gesellschaft“ so klassisch formulierten,
interaktionistischen Gestalt – als die „Chance eines Menschen oder einer
Mehrzahlsolcher(…),deneigenenWillenineinemGemeinschaftshandelnauch
gegendenWiderstandandererdaranBeteiligterdurchzusetzen.“5Machtwirdin
derPraxis der christlichenGlaubensgemeinschaft erlebt als gouvernementales
Ordnungshandeln:EsschafftunderneuertStrukturenundsetztNormendurch.
Macht ist indiesemSinneeineRessource fürdieBewahrungdesBestehenden.
Zugleich ist sie freilich unverzichtbar, umdie Sozialgestalt der Kirche den si-
tuativenHerausforderungen,die sichwandeln, anpassenzukönnen.BeiMacht
in diesemordnungsfunktionalen Sinn kann eingeteilt werden inAkteure und
Unterworfene der Macht: Die einen können gestalten, die anderen müssen
hinnehmenund sich arrangierenmit dem,was andernorts als Setzung vorge-
nommenwird.6
Die Erkenntnisse aus denvergangenen Jahrenüber denMissbrauch, der in
kirchlichen Einrichtungen an Kindern und Jugendlichen, aber auch an Er-
wachsenen in pastoralen Zusammenhängen verübt wurde, bestätigen diesen
Machttypus.Siezeigen,dasseinebesondereGefährdungdanngegebenist,wenn
sich eine ordnungsfunktionaleMachtausübungmit der charismatischenAura
verbindet, die vom geistlichen Träger solcher Ordnungsmacht ausgeht. Und
dieseVorkommnissehabeneineweitreichendeFolge:Siediskreditierenfürviele
die Institution Kirche an sich und bestätigen einMisstrauen gegenüber den
5 MaxWeber,Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Studien-
ausgabe, 5.Aufl.,Tübingen1980,S. 531.
6 Ein imAnschluss anFoucaultundauchLuhmanngeprägter systemischerMachtbegriff, der
einedichotomischwirkendeGegenüberstellungvon„Inhabern“und„Adressaten“derMacht
hintersich lässt,wirdhiernichtdiskutiert.ZudenverschiedenenVerständnissenvonMacht
aus sozialwissenschaftlicher Perspektive siehe z.B.: Marco Iorio, Macht, in: Martin Hart-
mann/ Claus Offe (Hg.), Politische Theorie und Politische Philosophie. Ein Handbuch,
München2011,S. 246–249.
MachtundHerrschaft –StiefkinderoderSchlüsselkategorien theologischerEthik? 81
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik