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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
Zwischenmenschlichen,dasgehörtzuinnerstzusammen.Dieerstenchristlichen
Gemeinden sinddeswegenbis heute stilprägend für einenmitHannahArendt
entworfenenMachtbegriff: Sichmit anderen zusammenschließenund imEin-
vernehmenmit ihnen zu handeln – wenn das gelingt, dann kann es zu ge-
schichtsmächtigen, wirkungsvollen, nachhaltigenVeränderungen imLauf der
Dingekommen.MachtistindiesemSinnedieVoraussetzungdafür,dasskreative
Energiewirksamwird, dass ein schöpferischer Prozess stattfindet.Waswill der
christlicheGlaube anderes als das –dieseWelt, diewirkliche, die sozialeWelt,
schöpferischundnachhaltigverändern?
b.DieserBlickaufkirchenpraktischeDimensionenderMacht legtnichtzuletzt
bereits nahe, dass religiöse Praxis und die theoretische Fassung dieser Praxis
zueinandergehörenundsichwechselseitigbestimmenund inspirieren.
In seinemGebet-Gedicht „Von gutenMächtenwunderbar geborgen“ greift
Dietrich Bonhoeffer eine Grundintuition menschlichen Nachdenkens und
Empfindens über das Verhältnis vonGott undMensch auf.13Religiös zu sein
heißtdavonauszugehen,dass es etwasHöheres–höhereMächte–gibt alsden
Menschen.Diesen ist derMenschausgesetzt, unterworfen, ermussdamit um-
gehen. Religionswissenschaftlich und -soziologisch wurde das vielfach be-
schrieben.LautRudolfOttoetwaerfährtderMenschinderReligionGottalseine
überwältigendeMacht, vorderererschauert,Otto sprichthier vommysterium
tremendum.14Die spektakuläreWendung, die der christlicheGlaubenunvoll-
zieht,betrifftdenModusderTeilhabeandieserhöherenMacht.Siemussnämlich
nicht,wieinanderenBekenntnissen,magischbesänftigt,kultischgeschmeichelt
oderpriesterlichgehegtwerden, sonderndiesehöhereMachtwirdals eine ge-
glaubtundbezeugt,dievonsichauseinenBundmitdenMenscheneingeht,sich
an den Menschen und sein Schicksal bindet, und die diesen Bund mit be-
stimmtenVerheißungenverknüpft.Die Inkarnation ist nochmals expliziteBe-
stätigung:Gott geht aus freienStückeneineBindungein, erbindet sichanden
Menschen. Zugleich ist sie aber auch eine Eröffnung:DieWelt desMenschen,
seinesozialeWelt,dieirdischeWirklichkeit istvonnunandasFeld,aufdemsich
diehöhereMächtigkeitdiesesGottesalswirksamerweisenmuss.15
EsgibtimChristentumalsoTeilhabeanderhöherenMacht.Esgibtaberauch
guteGründe,dassDietrichBonhoefferinindikativischerRedeweisesagenkann:
„vongutenMächtenwunderbargeborgen“.DerchristlicheGlaubesagt,dasses
ein Kriterium für die Qualität der höherenMacht gibt; sie ist gut, weil und
13 DietrichBonhoeffer,WiderstandundErgebung,Gütersloh1997,S. 219.
14 RudolfOtto,DasHeilige.ÜberdasIrrationaleinderIdeedesGöttlichenundseinVerhältnis
zumRationalen,München2004,S. 13–37.
15 DiesenGedankenentfaltetaufspezifischeWeisez.B.JohannBaptistMetz,ZurTheologieder
Welt,Mainz-München1968.
MachtundHerrschaft –StiefkinderoderSchlüsselkategorien theologischerEthik? 83
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik