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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
moralischen Zulässigkeit der Straßenbeleuchtung im 19. Jahrhundert), desto
weltferner,unglaubwürdigerund letztlich isolierterwurdesie.24
Aufder anderenSeite stehennundieBemühungen, geradedieEigengesetz-
lichkeit der Schöpfungsordnung zu betonen. Gaudium et Spes, die Pastoral-
konstitutiondes II. VatikanischenKonzils, etwa spricht vonder „Eigengesetz-
lichkeit“aller„Einzelwirklichkeiten“25undinsgesamtfindetsichinderneueren
katholischen ethischen Tradition diese Betonung einer Autonomie derNatur-
ordnung.YodersEinspruchmachtsichhieranfest:WenndietheologischeEthik
dabei stehenbleibt, soYoder, habe „JesusChristus direkt kaumetwasmit den
Schöpfungsordnungenzutun“.DerhiermitYoderskizzierteAnsatzkehrtaber
nicht einfach zu den alten, viel zu einfachen Antworten zurück, mit denen
Theologie und Ethik verkoppelt waren, sondern er will eine hermeneutisch
aufgeklärteGestalteinersolchen,imengerenSinnetheologischenEthiksein.Um
esklar zusagen:DieAutonomiederNaturordnungwird ineiner solchenSicht
nicht „kassiert“, sondern theologisch eingebunden.Was also ist damit gewon-
nen?
Gewonnen ist damit zunächst die Erkenntnis, dass Ethik kein zweitesMo-
mentumdes christlichenGlaubens ist, sondern imInnerndiesesGlaubensbe-
heimatetbleibt.Ethikbeziehtsichnichtaufdiesenoderjenen„Anwendungsfall“
eines vorgängigen religiösen Inhaltes, der aus sichheraus erst einmalmit den
HerausforderungendiesermodernenWeltnichtviel zutunhätte.Eingebunden
bleibtdieEthik, insofernsiedenGlaubenselbstals einesozialePraxisversteht.
Jesu Predigt ist eine gemeinschaftsbildende und damit soziale Praxis, sein
Umkehrrufistnichtein„rein“theologischerRuf,dermoralfreiwäre,sonderner
fordert zu einem neuen, anderen, einem befreiten und befreienden Tun auf.
Moralwiederumhatdannnicht in erster Linie die Funktion einesnormativen
Fallbeils mit Blick auf diese oder jene Praxis, sondern sie ist die Lehre vom
EinübeneinerneuenPraxis.
Gewonnen ist zudem, dass dort, wo die „gefallenen Mächte“ theologisch
wieder aufgefangenwerden,deutlichwird,dass siedasFeld sind, aufdemsich
theologisch-ethischeReflexion zubewegenhat.Dasmag trivial klingen, ist es
abernicht,dennwennmandieseAussageernstnimmt,bedeutetdasauch,dass
24 Das Ringen um eine „autonomeMoral im christlichenKontext“ war schließlichwie eine
intellektuelleReformbewegung, umdieTheologiewieder ausdemAbseits herauszuholen.
(Z.B.AlfonsAuer,AutonomeMoralundchristlicherGlaube,Düsseldorf 1971.)
25 „Durch ihrGeschaffensein selber nämlichhabenalle Einzelwirklichkeiten ihren festenEi-
genstand, ihreeigeneWahrheit, ihreeigeneGutheit sowie ihreEigengesetzlichkeitund ihre
eigenenOrdnungen,diederMenschunterAnerkennungderdeneinzelnenWissenschaften
undTechnikeneigenenMethodeachtenmuß.“ (PapstPaulVI.,GaudiumetSpes,Pastoral-
konstitutionüberdieKirche inderWeltvonheute, 36.)
DanielBogner88
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik