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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
immerwiederAnlass für heftigeKontroversenumdieKonzeptionvonMoral-
theologie undChristlicher Sozialethikwurden:Nichtwenige sehen inderAn-
erkennungderAutonomie der praktischenVernunft unddamit der säkularen
Begründbarkeit und demFreiheitsanspruch derMenschenrechte eineKapitu-
lationhinsichtlichdeschristlichenPropriumsderMoral.Die„autonomeMoral“
wurdebeispielsweiseinderEnzyklikaSplendorveritatis lehramtlichverurteilt.18
ImApril 2019knüpfe JosefRatzinger/Papst emeritusBenediktXVI.mit seinen
Attacken gegen Schüller und Böckle, derenModell derMoral dasWesen des
Christentums selbst infrage stelle, daran an.19DieRussisch-OrthodoxeKirche
trat imUN-Menschrechtsrat für einen „kulturellenVorbehalt“ gegenüber den
Menschenrechteneinundversuchtedamit in einerLiniemit denRegierungen
vonRussland,ChinaundanderenStaaten,diedeminternationalenTribunalvon
Menschenrechtsverletzungenentgehenwollen,dieMenschenrechtealsKonzept
westlich-säkularerGesellschaftenzurelativierenund ihnendenAnspruchuni-
versalerGeltungabzusprechen.20
Zuzubilligenist,dassdieFragenachdemPropriumchristlicherMoral inder
geistigen Situation der nicht nur postsäkularen, sondern oft zugleich auch
postchristlichenGesellschaften inneuerWeisevirulentwird.Eskommt jedoch
darauf an,dabeinicht inunproduktiveArgumentationsmuster zurückzufallen,
sondern die Erkenntnisfortschritte der vernunft- undmenschenrechtlich fun-
diertenMoral anzuerkennen und dennoch den Stellenwert theologischer Ar-
gumente fürdieEthikstarkzumachen.
AmBeispielderGenealogiederMenschenrechtehatHans Joaseindrücklich
gezeigt, wie substantiell der religiöse Anteil im geschichtlichen Prozess ihrer
EntstehungundPraxis ist, zugleichaberauch,wie sehr siegegenüber jeglicher
religiösenInterpretationeigenständigsindundseinmüssen.21Demnachhatsich
die gesellschaftliche Geltungskraft derMenschenrechte wesentlich in der Ge-
schichte konkreterAuseinandersetzungenmitGewalt undAusgrenzungenbe-
stimmter Personengruppen etabliert, z.B. als Kritik der Folter oder der Skla-
18 JohannesPaul II., Splendor veritatis. Enzyklikaüber einige grundlegendeFragenderMo-
rallehre,Vatikan1993,Nr.31–53.
19 Benedikt XVI., Klima der 68ermitverantwortlich fürMissbrauchsskandal (Wortlaut und
Reaktionen),vgl.https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/benedikt-xvi-68er-
sind-verantwortlich-fur-missbrauchsskandal (letzterZugriff: 07.06.2019).
20 DanielLegutke,ZwischenislamischenWertenundallgemeinenMenschenrechten.ZurRolle
derOrganisation für IslamischeZusammenarbeit imUN-Menschenrechtsrat, in:Amosin-
ternational2/2013,S. 25–35.
21 HansJoas,DieSakralitätderPerson.EineneueGenealogiederMenschenrechte,Berlin2011;
dazuauchBernhardLaux(Hg.),HeiligkeitundMenschenwürde.HansJoas’Genealogieder
Menschenrechte imtheologischenGespräch,Freiburg2013;RudolfUertz,Menschenrechte
imSpannungsfeldzwischenGottesredeundsäkularerPolitik, in:Vogt (Hg.),Theologieder
Sozialethik, S. 279–299.
MarkusVogt98
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik