Seite - 119 - in Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben - Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
nahe systematisch die Toten ausgeschlossen21. Unsere Kultur ist nicht zuletzt
deshalb immermehreine solchedes ewigen „Jetzt“, d.h. der virtuellenZeitlo-
sigkeit geworden, weil der Tod und die Toten keinen Platz darin haben. Die
ReligionenhattendasReichderTotenmonopolisiert.Diesführtedazu,dassmit
demKampfgegendiereligiöseVorherrschaftdiesesReichzunehmendausdem
Horizont des Abendlandes verschwand. An dessen Stelle trat das „Nichts“22.
HeuteistvondenReligionennichtzuletztwiedereinUmgangzulernen,derden
Toten einen Platz in der Gesellschaft und in deren symbolischenOrdnungen
zuweist.Esgehtdabeinichtdarum,diesäkulareWeltaufeinenJenseitsglauben
zu verpflichten, sehrwohl aber darum, einen adäquatenUmgangmit derUn-
verfügbarkeitderVerstorbenenundihrenjeindividuellenLebensgeschichtenzu
finden,undzwar jenseits vonderensinnentleerterAnnihilierung.Es stellt sich
dabei die Frage, ob die Toten dasAndere (Ausgeschlossene) derWelt der Le-
bendensindoderobnichtdieToten jenesDritte, jenenZusatz, jenenRestdar-
stellenzwischenderWeltderLebendenunddenaus ihrausgeschlossenenund
verdrängtenÄngsten.Die Fragewäre also, obnicht dasGedächtnis derToten,
welchesdiese in ihrerUnverfügbarkeitwahrt, ihnenaberMomentedesAnwe-
sens (inErzählungen, inderKunst, imKultus…)zueignet, eineganz entschei-
dende Rolle in einer Neukonfiguration des öffentlichen Raumes bedeuten
könnte.
Derdritte Beitrag soll hier „Exit-Strategie“ genanntwerden.Wiebereits im
zweitenAbschnittdesvorliegendenArtikelsbetontwurde,kanndasHeiligeals
eineseparierteSphäreaufgefasstwerden,dievonreligiösenMächtendominiert
ist, es kannaber auch einennicht repräsentierbaren„Zusatz“ indizieren23.Die
Ambiguität der Religion offenbart sich im Umstand, dass sie einerseits das
Heilige (bzw.denhier angezeigten „Zusatz“) administriert, dominiert undbe-
setzt,andererseitsaberauchineinergeschlossenen, immanentensymbolischen
WeltAusgängeöffnet, dienicht repräsentierbar sindunddaher auchnichtmit
sich zusammenfallenundkeinerMacht aufErden (auchnicht dem„Ego“) zu-
21 GegendieseReduktiondesMenschenaufdieSphärederLebendenerhebtnichtzuletztMetz
Einspruch.SieheJohannBaptistMetz,MemoriaPassionis.EinprovozierendesGedächtnisin
pluralistischerGesellschaft, Freiburg2006.
22 BesonderseindrücklichzeigtdiesHans-DieterBahr,DenToddenken,München2002.
23 Laurens ten Kate bringt das Phänomen eines Versprechens, welches jede Repräsentation
transzendiert und damit als Ausgang einerWelt in sich geschlossener symbolischerOrd-
nungendient,sehrpräziseinseinemArtikel„SecularityasSacrifice.NotesontheDialectical
Logic inModernityand itsMonotheisticPrefigurations“zumAusdruck: „The […]exodus
towarddesert life hasnoother goal thanwandering; the ,promised land‘ is not a straight-
forward goal to be reached after desert life; it is a promise […] thatmoves onwith the
wanderingjourney,sothat intheendonedoesnotknowwhether thedesert is thepromised
land after all.“ (Laurens tenKate, Secularity as Sacrifice.Notes on theDialectical Logic in
ModernityanditsMonotheisticPrefigurations,in:InterdisciplinaryJournalforReligionand
Transformation1/2015,S. 22–45,hier: S. 39).
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Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik