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Rainer J. Schwob
76 Warum barocke wie aufgeklärte Herrscher der Oper eine so große Bedeu-
tung zumaßen, ist leicht erklärt, aber für uns heute trotzdem schwer verständ-
lich. Zwischen dem Geschehen auf der Opernbühne und der Realität wurde
anders unterschieden als heute: Die Protagonisten traten in zeitgenössischer
Kostümierung auf und zumindest die Handlungen von Opera buffa und Sing-
spiel fanden in der Gegenwart statt, also maß man der Handlung zumindest
potentielle Realität bei. Außerdem war die Hofoper in Wien sozusagen das
private Theater des Kaisers, folglich war er (trotz der Vermietung an einen
Impresario) letztlich für Qualität und Inhalt des dort Gebotenen verantwort-
lich. Er musste die dort gezeigten Stücke nicht nur dulden, sondern aktiv
befürworten. Dies sollte man bedenken, bevor man den Vorwurf der ›Zensur‹
leichtfertig anwendet. Natürlich gab es auch eine allgemeine Zensur, die allen
Bühnen des Reiches betraf.
Zum Kulturprogramm Josephs II. gehörte der Versuch, in Wien das
deutschsprachige Musiktheater unter dem Titel »teutsches Nationalsingspiel«
zu fördern und dafür auf die italienische Oper zu verzichten – ein Unterneh-
men, das nach einigem Hin und Her noch zu Lebzeiten des Herrschers mit
der Einstellung der deutschen und der Wiedereinführung der italienischen
Oper scheiterte.7
Uns heute bereitet der Begriff »Singspiel« erhebliche terminologische
Schwierigkeiten, weil er für die verschiedensten Arten von Stücken stehen
kann, von traurig bis kabarettistisch, vom Sprechstück mit einzelnen gesun-
genen Einlagen bis zum durchgängig gesungenen Werk. Außerdem wurden
damals noch viele weitere Bezeichnungen für diese unscharf definierbare
Gattung verwendet, beispielsweise »Schauspiel mit Gesang«, »Komödie mit
Musik«, »komische Oper« oder »Operette«, später auch »romantische Oper«
und »Liederspiel«.8 Das norddeutsche Singspiel ist anders als das süddeut-
Nachwort, einem Werkverzeichnis und Anmerkungen von Jörg Krämer […].
Frankfurt am Main, Leipzig 2005. (insel taschenbuch; 3091.)
5 Karl [Ditters von] Dittersdorf: Lebensbeschreibung. Seinem Sohne in die Feder
diktirt. Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1801. Vor allem Ende 24. Kapitel. Neu-
druck (in modernisierter Orthographie): Hrsg. von Norbert Miller. München: Kö-
sel-Verlag, 1967. (Lebensläufe. Biographien, Erinnerungen, Briefe; 12.) S. 231–
232.
6 Meist in Kapiteln betreffend »Le nozze di Figaro«, z. B. bei Braunbehrens, Mozart
in Wien (siehe Anm. 1), S. 303.
7 Vgl. Gernot Gruber: Die Zeit der Wiener Klassiker. In: Musikgeschichte Öster-
reichs. 2. Auflage. Bd. 2: Vom Barock zum Vormärz. Wien [u. a.]: Böhlau, 1995.
S. 133-277, hier insbes. Kapitel »Neues im öffentlichen und privaten Musikleben«,
Abschnitt »Das deutsche Nationalsingspiel«, S. 244-246.
8 Zur terminologischen Verwirrung vgl. folgende Monographie und Bibliographie:
Hans-Albrecht Koch: Das deutsche Singspiel. Stuttgart: Metzler, 1974. S. 25-26. –
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Titel
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Untertitel
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Autor
- Paolo Budroni
- Verlag
- V&R unipress
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2008
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 135
- Kategorie
- Kunst und Kultur