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Rainer J. Schwob
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setzen, weniger aus sprachlichen Gründen als wegen Mentalitätproblemen,
daher ließ man von diesem Werk auf Opernbühnen lieber die Finger. Die
Zauberflöte gilt sozusagen als Vollendung des deutschen Musiktheaters, aber
trotz gesprochener Dialoge und vieler Elemente der Wiener Vorstadtposse
ließ und lässt sie sich schlecht als »Singspiel« bezeichnen, für sie ist der
originale Untertitel einer »großen Oper« mehr als angemessen.
Aus späterer Sicht ist die Forderung nach einem »teutschen Nationalsing-
spiel« tatsächlich eine Notwendigkeit. War sie das auch für Joseph II.? Ein
nationaler Aspekt mag tatsächlich eine gewisse Rolle gespielt haben. Aller-
dings war Italien – anders als z. B. Frankreich – kein Nationalstaat und folg-
lich kein politischer Rivale, dessen Kulturexport man hätte einschränken
müssen. Anders als beispielsweise für den König von Preußen war für einen
Habsburger wie Joseph II. Italienisch eine Sprache seines Herrschaftsgebiets,
dem Deutschen ebenbürtig. Kulturell war dies ohnehin keine Frage; alle
Habsburger dieser Zeit sprachen fließend italienisch.
Eine gewisse Rolle dürfte gespielt haben, dass die deutschen Sängerinnen
und Sänger weit kostengünstiger zu verpflichten waren als ihre weltweit
gefragten italienischen Star-Kollegen. Das senkte das Risiko, schließlich war
Oper selten ein finanziell ausgeglichenes Unternehmen, nicht anders als heu-
te. Die wichtigste Motivation war aber wahrscheinlich eine pädagogische:
Textverständnis in der italienischen Oper blieb im Wesentlichen auf die ita-
lienischsprachige Bevölkerung Wiens sowie den Adel mit seinen multilin-
gualen Interessen beschränkt. Um auch aufstrebende Bürger und nicht zuletzt
den in der Aufklärung an Bedeutung gewinnenden Beamtenadel anzuspre-
chen, war Musiktheater in der Volkssprache sinnvoll. Man darf nicht verges-
sen, dass es bei allem Prunk und bei aller Schönheit der Musik durchaus auch
um den Transport von textlichen Inhalten ging.
Schließlich stellt sich die Frage, woran das deutsche Singspiel im josephi-
nischen Wien – entgegen der Absicht ihres kaiserlichen Förderers – schließ-
lich gescheitert ist. Wahrscheinlich haftete dieser Gattung stets der Charakter
des ›Sparprogramms‹ an; sie war nicht so repräsentativ wie die italienische
Oper, was sich spätestens beim Besuch hoher Staatsgäste aus dem Ausland
bemerkbar machte,11 und hatte häufig massive Qualitätsprobleme bei Text
und Musik. Mozart stellt hier die große Ausnahme dar, aber schon seine
deutschen Librettisten Johann Gottlieb Stephanie der Jüngere (Entführung,
Schauspieldirektor) und Emanuel Schikaneder (Zauberflöte) sind der Praxis
11 Als Ende Dezember 1781, in der Hochblüte des deutschen Singspiels in Wien,
Großfürst Paul Petrowitsch, der spätere Zar Paul I., die Stadt besuchte, besann man
sich (notgedrungen?) der großen Opern Glucks, Iphigenie, Alceste und Orfeo. –
Vgl. Wien. December 1782. [Korrespondentenbericht.] In: Magazin der Musik
[Karl Friedrich Cramer] 1. Jg., 27. März 1783, S. 352–355, hier S. 353. – Außer-
dem Alfred Einstein: Gluck. Sein Leben – seine Werke. Zürich 1954, rev. Neuaus-
gabe Kassel, Basel: Bärenreiter, 1987. S. 206.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Titel
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Untertitel
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Autor
- Paolo Budroni
- Verlag
- V&R unipress
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2008
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 135
- Kategorie
- Kunst und Kultur