Seite - 2 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1 DerDomalsMetropolitankirche
chaelHaydn einemarkanteDiskrepanz zwischen der
detailreichen Tiefe personengebundener Forschung
und lokalmusikgeschichtlichenDesideraten grundsätz-
licherNatur eher verschärft. So sind imHinblick auf
die SalzburgerKirchenmusik vielfachDokumente aus
demUmfeld der FamilieMozart (Briefe der Familie,
diverseTagebücher, etwa von JoachimFerdinand von
Schidenhofen, P. BedaHübner, FraterHeinrichPich-
ler etc.)konsultiertworden,die,wiewohlals lebendige
Zeitzeugnisse von großemReiz, Fragen der Liturgie
von einemgegebenenErfahrungshorizont ausgehend
allenfalls gelegentlich streifen, aber immerhin unsere
Kenntnis liturgischerPraxismitunter farbreich ergän-
zen können.Wo sie hingegen alsHauptinformations-
quellengenutztwerden, entstehteinzumindestunvoll-
ständiges und oberflächlichesBild der SalzburgerKir-
chenmusiklandschaft, in dem liturgisch-musikalische
Vorgänge nur ungenügend verstanden undbisweilen
auch falscheVorstellungen gewecktwerden.6
Um einen Überblick über die Gottesdienste und
Andachten und vor allemüber dieAnlässe, zu denen
Musik imSalzburgerDomundindenanderenKirchen
der Stadt aufgeführtwurde, zu gewinnen,wurden für
die vorliegende Studie neben der einschlägigenLite-
ratur zahlreiche bisher von derMusikforschung noch
unbeachteteDokumente aus demArchiv derErzdiö-
zese7 übertragen und ausgewertet und eineAuswahl
6Immerwiederwerden z.B˙ Litaneien ausschließlichmit einer
Kirche inZusammenhanggebracht:MozartsLitaneiKV109
sei „ursprünglich für eineMaiandacht in derHofkapelle des
SchlossesMirabell geschriebenworden“, vermutet Patrick
Bircher (Bircher, Patrick: „Einblicke in die liturgische
Praxis zur ZeitWolfgangAmadeusMozarts“, in:Peter
Keller/ArminKircher (Hrsg.):ZwischenHimmel und
Erde.Mozarts geistlicheMusik, Salzburg:Dommuseum zu
Salzburg u.a. 2006, S. 37–46, hier: S. 43) zum Beispiel.
Wie dieser Irrtum zustandekam, lässt sich nur vermuten:
Gelegentlichwurden in der Literatur ausLauretanischen
Litaneien „Marienandachten“, von dort ist es nichtweit zu
den „Maiandachten“, die sich imSalzburg des 18. Jahrhun-
derts allerdings nicht nachweisen lassen.ManfredHermann
SchmidundPetrusEderwiederumnenneneinKapitel „Der
DomunddieKapelle inMirabell“ (Schmid,ManfredHer-
mann/Petrus Eder:Mozart in Salzburg. EinOrt für sein
Talent, Salzburg:Pustet2006,S. 39–66),wasdieBedeutung
derHofkapelle imSchlossMirabell wohl zu hoch bewertet,
und reklamieren ein 40-stündiges Gebet für die Kapelle,
was sich bisher nicht belegen ließ.Schmid,ManfredHer-
mann/PetrusEder: „LeopoldMozart –WolfgangAmade-
usMozart –MichaelHaydn“, in: JürgStenzl/ErnstHin-
termaier/GerhardWalterskirchen (Hrsg.):Salzburger
Musikgeschichte vomMittelalter bis ins 21. Jahrhundert,
Salzburg u.München:Pustet 2005, S. 255–331, hier: S. 276;
Schmid/Eder:Mozart in Salzburg, S. 73.
7Insbesondere dieAktenfaszikelAT-AES1.2.22/68 undAT-
AES 1.2.1/42 und 1/43waren in dieserHinsicht ergiebig. der Salzburger Hofkalender8, nämlich jene der Jah-
re 1726, 1739, 1751, 1765, 1780 und 1795 zu Rate
gezogen. Voraussetzung für ein vertieftes Verständ-
nis kirchenmusikalischer Praxis wäre eine fundierte
und institutionenspezifischeKenntnis der an verschie-
denen Salzburger Kirchen gepflogenen liturgischen
und zeremoniellenGebräuche, derenDarstellung im
Rahmendes vorliegendenProjektes jedoch nicht zu
leisten ist.
In dem von einem geistlichen Fürsten regierten
Fürsterzbistum Salzburg war vor allem der Dom,
vielleicht mehr noch als die Residenz, architektoni-
scher Ausdruck und Bezugspunkt „amtscharismati-
scherHerrschaftsbeziehungen“9, in derenDienst die
absolutistischeHofhaltung ihrenzeremoniellenAblauf
überwiegend nach demKirchenjahr ausrichtete.Wie
die Hofkalender zeigen, waren die kirchlichen Feste
und dieVerrichtungen des Fürsterzbischofs und des
Hofes im Zusammenhangmit diesen Festen für die
Abläufe amHof bestimmend. Die Hofkalender las-
sen aber auch deutlich erkennen, dass die Feiern der
verschiedenenFeste desKirchenjahres für denFürst-
erzbischof und seinenHof nicht auf die Kathedrale
beschränktwaren, sondern sich auf die verschiedenen
Kirchen der Stadt erstreckten.
ZuBeginndes18.JahrhundertswarenvielederKir-
chen, diewir heute als selbstverständlichenTeil der
Stadtlandschaft ansehen, relativ neu oder befanden
sicherst imEntstehen:1674wurdeMariaPlainvollen-
det, 1689 die Erhardkirche imNonntal, 1696 dieKa-
jetanerkirche, 1702 dieDreifaltigkeitskirche unddie
KircheSt.Johannes(heuteKirchedesLandeskranken-
8EineÜbersicht über die SalzburgerHofkalender, in der je-
ne der SalzburgerDiözesanbibliothek, die hier verwendet
wurden, allerdings fehlen, bietetBauer, Volker:Reper-
torium territorialer Amtskalender und Amtshandbücher
imAltenReich. Adreß-, Hof-, Staatskalender und Staats-
handbücher des 18. Jahrhunderts. Bd. 2:Heutiges Bayern
und Österreich, Liechtenstein, Frankfurt/Main: Kloster-
mann 1999, (Ius Commune. Veröffentlichungen desMax-
Planck-Instituts fürEuropäischeRechtsgeschichteFrankfurt
amMain, Sonderhefte. Studien zur europäischenRechtsge-
schichte, 123), S. 481–527.
9ZumKonzept des „Amtscharisma“ sieheFreitag,Werner:
„SymbolischeKommunikationundAmtscharisma. ZurLegi-
timitätundLegitimationgeistlicherFürsten indenBischofs-
städten der FrühenNeuzeit“, in:GerhardAmmerer etal.
(Hrsg.):Höfe und Residenzen geistlicher Fürsten. Struk-
turen, Regionen und Salzburgs Beispiel inMittelalter und
Neuzeit.Ergebnisse der internationalen und interdiszipli-
närenTagung in der SalzburgerResidenz, 19.–22. Februar
2009,Ostfildern:Thorbeke 2010, (Residenzforschung, 24),
S. 57–73.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur