Seite - 18 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1 DerDomalsMetropolitankirche
zwölf odermehr Sängerknabenmit großenUnkosten
erbaut hat, in demselben eine Orgel herstellen ließ
und verschiedene andere musikalische Instrumente
beischaffte undverordnete, daßdieseKnaben in jeder
Art derMusik unterrichtet, mit Speise und Trank,
Kleidern und Büchern und allen anderen, zu den
Studien notwendigenBehelfen versehen und versorgt
werden sollen“115. Diese Sängerknaben übernahmen
– gemeinsammit den Alt-Falsettisten – die hohen
Stimmen,daFrauenstimmenamDombis indieMitte
des 19. Jahrhunderts nicht zugelassen waren. Die
Begabtesten unter den älterenKapellknabenwurden
überdies für solistischePartien herangezogen.
DieRolledesDomchores, jenerGruppealso,welche
dieKirchenmusik amDomhauptsächlich trug, ist be-
reitsmehrfach diskutiert worden.116Demnachwurde
von derGruppe derDomchorvikare und den fest be-
soldetenDomchoralisten der StimmlagenTenor und
Bass anWerktagen nur einstimmiger gregorianischer
Choral gesungen. Dazu versammelte sich der Dom-
chor unter derLeitung eines der beidenChorregenten
umdie kleineOrgel imPresbyterium117, wo er vom
Domstiftsorganisten begleitetwurde.118
DieAnnahme, dassMehrstimmigkeit amDomaus-
schließlich den Sonn- undFeiertagen vorbehalten ge-
wesen sei, ist insofern zu korrigieren, alsFesta Ca-
nonici, wie sie an „normalen Sonntagen“119 gefeiert
wurden, auch auf einenWochentag fallen konnten.
ManfredHermann Schmid geht für diese Feste von
„einer relativ kleinenGruppe vonMusikern“ aus, in
der „alleGesangspartien solistisch besetzt“ gewesen
seien.120ChorischeTuttiwirkungen seien nur durch
die drei Posaunen hervorgerufen worden, die colla
partemit den tieferen drei Singstimmen gespielt hät-
ten.Weder in derChorordnung vonHofkapellmeister
115Vgl.Peregrinus, Johannes: „Geschichte der salzb. Dom-
Sängerknaben, oder schlechthindesKapellhauses“. [Teil III–
V], in:Mittheilungen derGesellschaft für Salzburger Lan-
deskunde, 29 (1889), S. 87–212, hier: S. 101–102, zit. auch
beiHintermaier, Ernst:Die Salzburger Hofkapelle von
1700 bis 1806. Organisation und Personal, Dissertation,
Universität Salzburg 1972, S.XXVII.
116Zuletzt Schmid/Eder: „L.Mozart – W.A.Mozart –
M.Haydn“, S. 261.
117ZurFrage, ob dasOrgelpositiv in der Fastenzeit durch ein
Regal ausgewechselt wurde, wie Schmid an derselben Stelle
behauptet, vgl. ebd., S. 161.
118Schmid/Eder: „L.Mozart – W.A.Mozart – M.Haydn“,
S. 262f.
119Ebd., S. 263.
120Ebd., ohneQuellennachweis. KarlHeinrichBiber (→S. 128) noch in einer anderen
unsbekanntenQuelle ist jedochdieRedevonSolisten
an diesen niederenFesten; auch in denmusikalischen
Quellen ist die kleinste Orchester-Besetzung über-
wiegend mit Ripien-Gesangsstimmen gepaart. Der
Großteil derMusik an derMetropolitankirche wur-
de demnach nicht von derHofmusikkapelle getragen,
sondern überwiegend vondenDomchorvikaren und
-choralisten, die ohne Ausnahme zur Stelle waren,
wenn an der Kirche des FürsterzbischofsMusik ge-
machtwurde.Das zeigt auch die zutiefst konservativ-
kirchliche Basis dieser Musik im Unterschied etwa
zu anderen Hofkirchen, wo dieMusik von denMu-
sikern der weltlich ausgerichteten Hofmusikkapelle
quasimitbetreutwurde.
Dassman sich anWerktagen imSalzburgerDom
mit dem gregorianischen Choral begnügte, mag in
der überwiegendenAnzahl der Fälle stimmen (Aus-
nahmen davon sind z.B. die wöchentlichenMessen
amDonnerstag, zu denen die Hofmusik regelmäßig
herangezogen wurde), den Domchor aber auf diese
Choralpraxis zu reduzieren, wenn er nicht in einem
größerenBesetzungszusammenhangmusizierte, wäre
eineverkürzteDarstellung.Die folgendeBeschreibung
derOstermatutin amNachmittag desKarsamstages
aus den oben erwähntenNotizen einesDomchormit-
gliedes zeigt verschiedenemusikalischeGestaltungs-
möglichkeiten:
„BeyderMatutinamCharsamstagenach-
mittag ist zu bemerken:
DieChorindividuen befinden sich anfangs
derMette bey derOrgel [d. h. neben dem
Orgelinstrument imPresbyterium], weil das
Invitatorium, SurrexitDominus vere, Con-
trapunct/:adpulpitum:/gesungen ist.Nach
dem Invitatorium begeben sich die Chor-
individuen in ihreChorstühle auf beyde Sei-
ten der Subdiacon der Leviten intonirt dem
Officiator [demdiensthabendenGeistlichen]
den Antiphon Ego sum p [etc.?] an. Die
WochnerSeitesingtdanndenAntiphon,und
beyde Seiten dann denPsalm, beywelchen
dasGloriaPatrimitdenKapellknabenFalso
partonogesungenwird;daherdieKapellkna-
ben bey denPsalmen derMatutin bey den
Choralisten zu sitzen haben.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur