Seite - 22 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1 DerDomalsMetropolitankirche
Demnach gibt es zwar keinen zwingenden liturgi-
schenZusammenhang zwischenVesper undLitanei,
dennoch kann die Praxis einer abschließendenLita-
nei nachVesper undComplet –mindestens für die
Vespergottesdienste anDonnerstagen und Samstagen
– für den untersuchtenZeitraumzwischen 1699 und
1841 angenommenwerden.
WeitereAufgaben desDomchorswaren das tägli-
che „Conventamt“ und diemusikalischeUmrahmung
zahlreicher amDomgestifteter „Jahrtage“, von de-
nen in derGottesdienstordnung von 1828 immerhin
noch 80 genanntwerden.Wahrscheinlich nicht alle,
aber doch einige davon dürftenmusikalisch gestaltet
worden sein.Während der Prozessionen imDomund
in der Stadtwurde vomDomchor dieAllerheiligenli-
tanei gesungen, zuFronleichnamdas „Pange lingua
vierstimmig“ und bei den Altären die „Hymni mit
Begleitungder Instrumentalmusik“.140Verantwortlich
warman auch für das Singen derPassion amPalm-
sonntag undKarfreitag, für die Lamentationen am
Mittwoch in derKarwoche, an demauch einMisere-
re „doppeltönig [doppelchörig], nämlich abwechselnd
von dem obern und unterm Chor“ – und ohne In-
strumentalbegleitung – gesungen wurde.141Der Li-
turgie derKarwoche zugeordnetwaren auchmehrere
Responsorien-Zyklen, die amMittwoch,Donnerstag
und Freitag142 vom Domchor „mit Begleitung der
Orgel und desViolons“ dargebotenwurden.143Am
Karfreitagwurden derHymnusVexilla regis vermut-
lich choraliter, dieResponsorienRecessit pastor und
Tenebrae aber vierstimmig dargeboten.144 (Für eine
ausführlicheBesprechungderPflege vonMotetten im
alten Stil am Salzburger Dom→ S. 136.) Überdies
war derDomchor ausnahmslosTeil derAufführung,
140Gottesdienstordnung 1828, S. 31.
141FürdiesePraxiskommeneinoftkopiertesanonymesMiserere
(A-Sd,A 1692) und die berühmteVertonung vonLeonardo
Leo (A-Sd, A 1284), die sich beide im Dommusikarchiv
befinden, in Frage.
142Vgl.Gottesdienstordnung, S. 18,→S. 29.
143Mehrere Responsorienzyklen von Michael Haydn
(MH 276, 277, 278), Johann Ernst Eberlin (A-Wn,
Sign.Mus.Hs.19082/3-11Mus) und von einemnoch nicht
identifizierten Komponisten (A-Sd, A 1568) zeugen von
dieser Praxis.
144Vgl.Gottesdienstordnung 1828, S. 18–21. ThomasHochrad-
ner hat zudembereits auf die „Weiterverwendung vonPro-
priumsgesängen imstileanticoausdem17.Jahrhundert“an
Hochfesten (Hochradner: „Fronleichnamsmotette“, S. 95)
hingewiesen. wenn an höherenFesten dieHofmusikkapelle und die
Solistenmitwirkten.
DieHofmusikkapelle amDom
Während derDomchor samt denKapellknaben aus-
schließlich demkirchlichenBereich zugeordnetwar,
hatte dieHofmusikkapelle zahlreicheweltlicheReprä-
sentationspflichten, die ausHofkonzerten,Opernauf-
führungen,Tafelmusiken etc. bestanden.Auch an der
Metropolitankirche kamen ihr zahlreiche Aufgaben
zu.
Das imDomverwendeteOrchesterbestandimKern
aus den Streichern, die je nachBedarf durchVertre-
ter anderer Instrumentengattungen verstärktwerden
konnten.Wie LeopoldMozart 1757 berichtet, wurde
„keinTrompeternochPauker indieHochfürstl.Diens-
te genommen, der nicht eine guteViolin spielet: wie
sie denn bey starkenMusiken beyHofe alle erschei-
nen, und die zweyteViolin oder dieViolamitspielen
müssen“145. Dasselbe galt für dieHolzbläser, von de-
nenFlöten,Oboen, Fagotte und ab den 70er-Jahren
des 18. Jahrhunderts auch dasEnglischhornTeil des
Orchesterswaren. Lediglich dieKlarinettewurde in
der Salzburger Hofmusik erst nach 1803 verwendet
(→ S. 166).
Eine bedeutende und institutionell eigenständige
Gruppewaren dieHoftrompeter undHofpauker, de-
nen im zeremoniellenKontext als geschlossenes En-
semble große Bedeutung als Herrschaftssymbol zu-
kam (→ S. 169). Daneben gab es imOrchesterWald-
hornisten, die im Dom erst im letzten Viertel des
18. Jahrhunderts verwendetwurden.Die Posaunisten
waren mit Ausnahme des Posaunenvirtuosen Tho-
mas Gschlatt146 niemals Teil der Hofmusikkapelle:
Die imDomzurVerstärkung desChoresmit diesem
colla parte geführten drei Posaunenstimmenwurden
vonden städtischenThurnergesellen versehen, diePo-
saunenwaren folglich demChor zugeordnet.147Als
Proberaum für größereBesetzungen konnte dieDom-
undHofmusikoffensichtlichdas„Totenoratorium“der
145[L.Mozart]: „Nachricht von demgegenwärtigen Zustande“,
S. 197.
146Hintermaier:Die Salzburger Hofkapelle, S. 152–154.
147Vgl. [L.Mozart]: „Nachricht von dem gegenwärtigen Zu-
stande“, S. 195.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur