Seite - 23 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1.5 Diemusikalisch aktivenGruppen
Residenz an der Nordsseite der Franziskanerkirche
nutzen.148
ZurHofmusikkapelle zählte auch dieGruppe der
Hofsänger und -sängerinnen. SolistischeAufgaben in
derMetropolitankirche konnten nur erstere überneh-
men, da Frauen in der Liturgie der Domkirche bis
in dieMitte des 19. Jahrhunderts nicht vorgesehen
waren.149Das lag vor allem daran, dass Frauen als
Handelnde in der Liturgie, noch dazu imAltarraum,
wo derChor und dieMusiker (auf denEmporen) bis
zurÜbersiedlung derMusik auf dieWestempore pla-
ziertwaren,schlichtwegundenkbarwaren.Ananderen
KirchenderStadtsindhingegendurchausgelegentlich
auchMusikerinnen nachgewiesen, so 1693 eine Sän-
gerin in der Stiftskirche St. Peter150 oder 1746 eine
Dirigentin inMariaPlain151.DieHofsängerinnen,wie
MariaFranziskaVeronikaEberlin (1735–1766),Ma-
riaElisabeth SabinaMeissner (1731–1809) oder die
eigens amOspedale della Pietà ausgebildetenMaria
MagdalenaLipp(verh.Haydn,1747–1827),MariaAn-
naBraunhofer(1748–1819)undMariaAnnaFesemayr
(verh.Adlgasser, 1743–1782), die abEnde der 50er-
Jahre des 18. Jahrhunderts an derHofmusikkapelle
engagiert waren, habenwohl imDomnicht gesungen.
Auch jenesRegina coeli (KV108 oderKV127), das
Mozart für die „Haydin“ komponiert hatte152, dürfte
nicht für denDom, sondern für eine andereKirche
148Mozarts SchwesterMariaAnnamuss diesenRaumgemeint
haben, als sie in ihremTagebuch (3. April 1779) von der
„Prob bey hoffwomandie Erzbischoff aufschneidet“ (Bau-
er/Deutsch:Mozart. Briefe undAufzeichnungen, Bd. 2,
S. 542) spricht. Sie meinte damit die Generalprobe der
Missa inCKV317 (die sogenannteKrönungsmesse), die
amdarauffolgendenOstersonntag imPontifikalamt imDom
erstmals imRahmender Liturgie aufgeführtwurde.
149Lindmayr-Brandl, Andrea: „‚Weibsbilder, junge oder alte,
haben auf demDomchor überhaupt nichts zu suchen!‘ All-
gemeines und Spezielles zumThema ‚Frau undKirchenmu-
sik‘“, in:Kirchenmusikalisches Jahrbuch, 74 (1990), S. 65–
85.
150Archiv St. Peter, Custoreyrechnungen 1693;Eder, Petrus:
„‚Deo pLaCetMUsICa‘. DieMusik in denKlöstern Salz-
burgs nach 1600“, in: Jürg Stenzl/ErnstHintermaier/
GerhardWalterskirchen (Hrsg.):SalzburgerMusikge-
schichte.VomMittelalter bis ins 21. Jahrhundert, Salzburg
u.München:Pustet 2005,S. 332–349,hier: S. 348,Anm.24.
151Martin: „VomSalzburger Fürstenhof“ [Teil 1], S. 26;Hin-
termaier, Ernst: „ZurMusikpflege in derWallfahrtsbasi-
likaMariaPlain im 18. Jahrhundert“, in:AegidiusKolb
(Hrsg.):Maria Plain 1674–1974, Salzburg:Verlag St. Pe-
ter 1974, (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des
Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, 85), S. 228–239.
152Bauer/Deutsch:Mozart.BriefeundAufzeichnungen,Bd.2,
S. 337. entstanden sein.153Der ersteNachweis, dass Frauen
amDomsangen, ist eine Zeitungsnotiz aus derWie-
ner Zeitschrift vom1.November 1847 (S. 4), die sich
bereits auf dieAnfangszeit desDommusikverein und
Mozarteums bezieht:
„In Bezug auf Kirchenmusik gab es am
17. d[iesesMonats] imDome eine neueMes-
se zu hörenwelche allgemeineAnerkennung
fand [...] Heute am1.November,ward eine
bereitsvor einigenJahrenkomponirteMesse
wieder aufgeführt, wobei eine namhafteAn-
zahl jungerFrauenzimmermitwirkte,welche
in letzterer Zeit durch das hiesigeMozarte-
ummusikalisch herangebildetwurden.“154
Die Solistenpartien übernahmen, neben den be-
gabtestenKapellknaben in den oberen Stimmlagen,
Hofsänger, darunter auchKastraten, die durch das
gesamte 18. Jahrhundert hindurch an derHofmusik-
kapelle engagiert waren.DieGruppe dermännlichen
Hofsänger bestand aus letzteren, wie die im letzen
Drittel des 18. Jahrhunderts engagierten Francesco
Ceccarelli (1752–1814) undMichelangeloBologna (ca.
1760–nach 1800) oder ihreVorgänger, Andreas „An-
dreino“Unterkofler (um1706–1780) und seinemKol-
legenMatthäusLonzi (1695–1755),Tenören,wieFelix
Winter (1722–1772), JosephMichelansky (um1698–
1784) oder später Giuseppe Tomaselli (1758–1836),
undBässen, deren berühmtester vermutlich Joseph
NikolausMeissner (1725–1795)war.
Die Besetzung der Hofmusikkapelle in der Dom-
liturgie war vomRang des Festes abhängig, daher
musste jeder neue Hofkapellmeister mit den Salz-
burger Festen vertraut sein. Eine bisher in diesem
ZusammenhangwenigbeachteteQuelle sinddiehand-
schriftlichenNotizen, die sichHofkapellmeister Luigi
Gatti (1740–1817) vermutlich in zeitlicher Nähe zu
seinemprovisorischenAmtsantritt 1782 in seinemOr-
do Festivitatum et Functionum bezüglich derDienste
der Hofmusikkapelle amDommachte. Neben einer
oben bereits ausgewerteten Liste der verschiedenen
Feste am Dom (→ 1.1, S. 7) sind vor allem seine
darauf folgendenNotizen interessant.
153DieMöglichkeit, dass Frauen bei den Sakramentslitaneien
von derWestempore aus singen durften, besteht, ist aber
nicht belegt.
154Wir danken unseremKollegenTill Reininghaus für denHin-
weis auf dieseQuelle.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur